Rezension: Wann endet das Patriarchat? Perspektiven zwei selbstbewusster Frauen

In ihren Büchern zeichnen Onaran und Passmann nach, wie sie zu dem geworden sind, was sie heute sind. Nämlich selbstbewusste Frauen.
Düsseldorf. Schon die Betrachtung der beiden Coverfotos zeigt, wie unterschiedlich die beiden Frauen sind: Die eine steht bewusst selbstbewusst da, eine Hand in den Hüften, willensstarker Blick, dazu einen roten, eng anliegenden Zweiteiler. Die andere hockt am Boden, fingert unbeholfen rum, fragender Blick, dazu ein schwarzes, hochgeschlossenes Oberteil. Der eine Buchtitel „Be Your Own F*cking Hero“, der andere „Pick me girls“. Da also eine gestandene Heldin, dort ein unsicheres Mädchen, das – dem Patriarchat folgend – männliche Bestätigung sucht, indem es deutlich macht, dass es nicht ist wie andere Mädchen?
Ganz so einfach ist es nicht. Denn bei den Buchautorinnen handelt es sich um zwei äußerst erfolgreiche Frauen: hier die Unternehmerin Tijen Onaran, 38, da Bestsellerautorin Sophie Passmann, 29. Und sie haben eines gemeinsam: Sie kämpfen für mehr Selbstbewusstsein bei Frauen. Für ein Ende des Patriarchats.
Frauen sind in der deutschen Wirtschaft immer noch stark unterrepräsentiert. Die neuen Zahlen der Allbright Stiftung zeigen, dass der Frauenanteil in den Vorständen aller Unternehmen in den Dax-Indizes nur bei 17,4 Prozent liegt. Macht Deutschland in dem Tempo weiter, konstatiert die Stiftung, dauere es noch 18 Jahre, ehe die 50 Prozent erreicht würden. Nur bezogen auf die Vorstände.
In ihren Büchern zeichnen Onaran und Passmann nach, wie sie zu dem geworden sind, was sie heute sind. Nämlich selbstbewusste Frauen. Wir befinden uns, so schreibt es Passmann, Meisterin der Zuspitzung, in einer Welt, in der „die Öffentlichkeit nur eine bestimmte Menge erfolgreicher Frauen ertragen will“. Ein Zustand, mit dem Onaran und Passmann sich nicht abfinden wollen.
Versucht man, die Erkenntnisse aus ihrem jeweiligen Werdegang zusammenzufassen, ergibt sich daraus ein Fünf-Punkte-Plan für alle Frauen, die versuchen, ihren Weg nach oben zu gehen.
1. Bleib du selbst
„Ich wollte den Großteil meines Lebens anders sein als andere Frauen“, schreibt Passmann. „Ich kam nicht auf die Idee, dass ich auch einfach hätte sein können.“ Es klingt so simpel, aber in einer männerdominierten (Arbeits-)Welt ist es das anscheinend nicht. Einfach frau sein. Passmann beschreibt, wie sie als Jugendliche darunter gelitten hat, dicker zu sein als die anderen, weitere Klamotten zu tragen, weniger als Frau wahrgenommen zu werden.

Und Onaran erzählt, wie sie sich oft zurückgesetzt gefühlt hat als Kind ausländischer Eltern, mit einer spärlich eingerichteten Wohnung und wenig Geld. Erlebnisse, die die Frauen bis heute prägen, die sie mitnehmen in ihre Berufsleben – und die sie späteren Generationen gern ersparen würden. „Soziale Herkunft ist nichts, wofür man sich schämen muss, das würde ich der kleinen Tijen gern zurufen“, schreibt Onaran.
„Dass man mit wenig bis null Spielsachen auskommen kann und dass es okay ist, keine Markenklamotten zu tragen.“ Früher habe sie versucht, ihre Herkunft zu vertuschen. Eine Sache, die heute nicht mehr infrage kommt.
2. Sei unangepasst
„Im Nachhinein ist mein großes Karriere-Glück, dass eine der ersten Sachen, die Menschen über mich wussten, war, dass ich wohl umstritten sei.“ Eine Aussage, die zu beiden Frauen passt. Geschrieben hat sie Sophie Passmann. Mit 15 steht sie das erste Mal für einen Poetry-Slam auf der Bühne, moderiert in Radio und Fernsehen, schreibt Bücher. Dabei spricht sie Themen wie die Tücken des Patriarchats oder sexuelle Gewalt offen an und nimmt es dafür gern in Kauf zu polarisieren. „Ich befürchte, es ist nicht möglich, eine Frau in der Öffentlichkeit zu sein, ohne früher oder später mit der Behauptung eines massiven Fehltritts konfrontiert zu werden.“
Auch Onaran muss viel Kritik aushalten, gilt als umstritten. Sie sei zu laut, zu sexy, nicht kompetent, nicht seriös genug. Onaran lässt lieber die Fakten für sich sprechen. Heute hat sie ihr eigenes Unternehmen, fördert Frauen, berät Unternehmen beim Thema Diversität und fungiert als Investorin – nicht zuletzt im TV-Format „Höhle der Löwen“. Dort, genauso wie in Meetings, sitzt sie mit bunten Klamotten, knappen Röcken, die Finger bunt lackiert, die Lippen rot.
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So, wie sie es mag. „Meine Persönlichkeit an der Garderobe abgeben, das will ich heute nicht mehr. Sich jeden Tag selbst belügen, sich jeden Tag selbst betrügen? Keine Chance!“ Was sie zeigen will: Niemand muss einer Norm entsprechen, um ernst genommen zu werden und Entscheidungen treffen zu können.
3. Sei unperfekt
Und niemand muss perfekt sein. „Es ist die ganze Zeit so – irgendetwas klappt nicht, irgendeine Deadline sprenge ich, irgendeinen Geburtstag vergesse ich. Hundert Prozent perfekt gibt es nicht! Das, was du bei mir und bei anderen auf Social Media siehst, ist nicht immer das ganze Bild und das Leben in all seinen Facetten“, schreibt Onaran.
Über Niederlagen, Missgeschicke, gar Fehler offen zu sprechen ist in Deutschland immer noch verpönt. Vor dem Chef zugeben, dass man etwas vergessen hat, ohne dass der Konsequenzen zieht? Sollte kein Problem sein. Einen Termin verpassen? Kommt vor. Vor den Mitarbeitern weinen? Auch das kann passieren. „Oft wird darüber diskutiert, ob man sich im Job verletzlich zeigen darf“, schreibt Onaran dazu. „ Ja, darf man, auch in einem Umfeld, das dir nicht so nahesteht. Mittlerweile sage ich es ehrlich, wenn ich einen blöden Tag habe.“

Wenn etwas schiefgelaufen ist, ist es wichtig, dass man darüber spricht und es dann gut sein lässt. Und im Zweifel sollte man die Dinge mit Humor nehmen. „Die Frauen, die ich kenne“, schreibt Passmann, machen Witze über Feminismus und sich selbst, nicht weil beides ihnen egal ist, sondern weil sie beides so wichtig nehmen, dass sie wissen, dass beides auch mal einen Witz aushalten können muss.“
4. Feiere dich selbst
„Ich möchte nicht, dass junge Mädchen sich heute genauso künstlich langweilig halten, wie ich es getan habe“, schreibt Passmann. Sie habe zu wenig an sich geglaubt, habe immer versucht, möglichst unkompliziert zu sein und nicht aufzufallen. Heute weiß sie: „Es ist feministisch absolut einwandfrei, wenn ich erkläre, dass es mehr als in Ordnung ist, genauso zu sein wie andere Frauen, weil es eben feministisch auch absolut einwandfrei ist, darauf hinzuweisen, dass andere Frauen großartig sind.“

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Gegenseitige Unterstützung ist wichtig, wer weiß das besser als Tijen Onaran, eine der bekanntesten Netzwerkerinnen Deutschlands. Sich gegenseitig, vor allem aber auch sich selbst feiern. „Egal, ob es für den guten Job, den du machst, oder einen tollen Look ist. Bedanken, drüber freuen und aufschreiben! Bestes Heilmittel für schlechte Tage, sich an Komplimente zu erinnern“, schreibt Onaran. Ihre Mutter ist ihr in diesen Dingen Vorbild. Obwohl sie selbst nicht viel hatte, neidete sie anderen nichts, sondern verteilte Komplimente – und war dankbar für das, was sie hat.
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Onaran bezieht den Begriff der Dankbarkeit dabei vor allem auf sich selbst: „Logo – da waren Menschen, die meine Expertise, meine Energie und mein Talent bemerkt haben und sahen. Dafür bin ich dankbar. In erster Linie jedoch bin ich vor allem mir selbst dankbar.“
5. Zeige Mut
Onaran und Passmann, zwei Frauen, die sich ihren Weg selbst ebnen mussten. „Die eigene soziale Herkunft nicht als Manko, sondern als Chance zu sehen – das erfordert viel Mut“, schreibt Onaran. Aber, das sei das Gute: „Mutig zu sein kannst du lernen.“


Passmann zieht zwar ein nüchternes Fazit: „Es gibt nahezu nichts, was dafür spricht, eine junge Frau sein zu wollen. Man wird unterschätzt und unterfordert, man wird missbraucht und man wird nicht ernst genommen.“ Aber diese Zeiten sollten wirklich vorbei sein. Und so schließt sie: „Irgendeine Generation muss also anfangen, es besser zu machen.“ Dann bitte.
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