Börse Athen Gute Perspektive, günstige Bewertung: Was jetzt für griechische Aktien spricht

Mitte November entscheidet MSCI über die Restrukturierung des Indexes MSCI Greece – ein wichtiger Termin für Hellas-Anleger.
Athen Hellas-Aktien haben Anlegern schon einiges abverlangt. Herbe Verluste erlebten Investoren zum Beispiel im Krisenjahr 2015, als griechische Finanztitel fast komplett wertlos wurden. Es gab aber auch richtig gute Zeiten. So schaffte der Leitindex der Athener Börse, Athex Composite, im Jahr 2019 ein Indexplus von 50 Prozent. Das war Weltspitze. Jetzt sehen viele Analysten erneut Einstiegschancen.
Die Analysten der britischen Großbank HSBC empfehlen, griechische Aktien aktuell überzugewichten. Die US-Investmentbank Goldman Sachs sieht den Athex Composite mit den 60 größten und umsatzstärksten griechischen Unternehmen zum Jahresende bei 1000 Zählern, das sind elf Prozent über dem aktuellen Niveau.
In den ersten vier Monaten dieses Jahres legte der Index bereits rund elf Prozent zu. Dann ging der Börse allerdings die Puste aus. Seit Mai pendelt der Index in einer Seitwärtsbewegung um die Marke von 900 Punkten.
Aber jetzt sehen viele Experten „Dynamik für eine Jahresendrally“, wie die Finanzzeitung Kefalaio (Kapital) berichtet. Die Analysten des Athener Brokerhauses Beta Securities vergleichen den Athener Aktienmarkt mit einem Zug, dessen Lokomotive unter Volldampf auf den Pfiff zur Abfahrt wartet.
Die makroökonomischen Vorgaben im Land sind gut. Die Regierung erwartet für dieses Jahr ein Wirtschaftswachstum von satten 6,1 Prozent. Die Ratingagentur Moody’s setzt sogar ein Plus von 8,2 Prozent an. Damit läge Griechenland EU-weit an der Spitze.
Die Konjunktur profitiert vor allem vom Comeback des Tourismus. Nachhaltige Wachstumsimpulse erwartet das Land auch aus dem Corona-Aufbaufonds (RRF) der EU. In den nächsten sechs Jahren sollen Zuschüsse und Kredite von 30,5 Milliarden Euro nach Griechenland fließen.
Aktien griechischer Unternehmen gelten als preiswert
Griechische Aktien sind zudem noch günstig bewertet. Die Analysten der US-Bank Citigroup errechnen für 2021 ein durchschnittliches Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von nur 12,3, gegenüber 16 im europäischen Durchschnitt. Für 2022 kalkuliert Citi das KGV des griechischen Marktes mit 9,8.
Auch die im europäischen Vergleich hohe Dividendenrendite von 3,1 Prozent spricht aus Sicht der Citi-Analysten für griechische Aktien. JP Morgan erwartet, dass die börsennotierten griechischen Unternehmen ihre Gewinne in diesem Jahr um 25 Prozent und in den beiden folgenden Jahren um 14 und elf Prozent steigern werden.
Bewegung könnte auch in den Markt kommen, wenn der Finanzdienstleister MSCI am 11. November über die Restrukturierung des Indexes MSCI Greece entscheidet. Bisher sind darin nur fünf Unternehmen vertreten: Fast 30 Prozent Gewichtung entfallen auf die mehrheitlich von der Deutschen Telekom kontrollierte Hellenic Telecom (OTE), mit gut 20 Prozent werden der Glücksspielkonzern OPAP und die Alpha Bank gewichtet. Mit 17 beziehungsweise zwölf Prozent sind die Eurobank und der auf Spielwaren und Freizeitartikel fokussierte Einzelhändler Jumbo im Index vertreten.
Welche Einzelwerte für Anleger interessant sind
Marktbeobachter erwarten, dass bei der bevorstehenden Überarbeitung des Indexes die Aktien der National Bank of Greece und des Stromversorgers Public Power Corporation in den MSCI Greece aufgenommen werden. Davon dürften die Kurse der beiden Unternehmen profitieren.
Einer der am häufigsten genannten Favoriten im Land ist die Aktie des Mischkonzerns Mytilineos. Zu der Holding gehört mit Aluminium of Greece einer der größten vertikal integrierten Aluminiumproduzenten Europas.
Mytilineos diversifiziert stark in Geschäftsfelder wie erneuerbare Energie, Wasserstoffgewinnung, Anlagenbau und Infrastrukturprojekte. Die Gruppe steigerte ihren Nettogewinn im ersten Halbjahr um 51 Prozent. Citigroup empfiehlt die Aktie zum Kauf und nennt als Kursziel 21,50 Euro, was rund 40 Prozent über der aktuellen Bewertung liegt.
Kurspotenzial sehen Analysten auch für die Aktie von Coca-Cola Hellenic Bottling. Das Unternehmen produziert und vertreibt als Lizenznehmer der Coca-Cola Company Getränke in 28 Ländern Europas, Asiens und Afrikas. Je 23 Prozent der Aktien liegen beim amerikanischen Mutterkonzern und der Luxemburger Kar-Tess Holding. Der Rest befindet sich im Streubesitz.
Als interessant gilt auch der Zement- und Baustoffhersteller Titan International. Das griechische Unternehmen ist in 25 Ländern präsent, darunter den USA. Dort könnte Titan vom geplanten Infrastrukturprogramm der Biden-Regierung profitieren.
Vor allem aber hängt es von der Performance der griechischen Geldinstitute ab, ob die Aktienkurse in Athen steigen. Finanzdienstleister sind im Leitindex mit 29 Prozent stark gewichtet und stehen deshalb bei vielen Anlegern im Fokus. Morgan Stanley setzte kürzlich die Kursziele für die vier systemischen Banken herauf. Die Institute machen gute Fortschritte beim Abbau ihrer Problemkredite. Die Konsolidierung zehrt allerdings am Kapital.
Die wichtigsten griechischen Aktien werden zwar auch in Deutschland notiert. Aber die Umsätze sind gering. Die Handelbarkeit ist dadurch stark eingeschränkt. Für Privatanleger gelten daher börsennotierte Indexfonds wie der Lyxor MSCI Greece als eine Alternative. Der ETF bildet die Wertentwicklung der 25 wichtigsten Bluechips ab. Wer den Fonds vor einem Jahr ins Depot nahm, konnte einen Kursgewinn von rund 60 Prozent verbuchen.
Die Volatilität ist allerdings beträchtlich. Seit der Auflegung des ETF Anfang 2007 ergibt sich ein Kursverlust von insgesamt 92,8 Prozent. Nicht nur die Finanzkrise im Jahr 2008, auch die Euro-Schuldenkrise setzten den Aktien des Landes zu. Das zeigt: Auch mit der Streuung eines Indexfonds bleibt ein Engagement am Athener Aktienmarkt riskant.
Mehr: Wie der griechische Premierminister einen Aufschwung für alle Griechen schaffen will.
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