Climate-Tech Risikokapitalgeber Wenger: „Regierungen müssen mit 50 Prozent des BIP gegen den Klimawandel kämpfen“

Der Partner bei Union Square Ventures fordert mehr finanzielles Engagement im Kampf gegen den Klimawandel – mit prominenter Unterstützung aus der Finanzwelt.
Denver Von Klimawandel spricht Albert Wenger schon lange nicht mehr. „Das klingt eher neutral. Klimakrise und Klimanotfall sind da deutlich angebrachter“, betont der deutschstämmige Risikokapitalgeber im Gespräch mit dem Handelsblatt.
Wenger ist Partner bei Union Square Ventures (USV) aus New York – ein Fonds, der unter anderem früh in die Kryptobörse Coinbase, das soziale Netzwerk Twitter und das Fintech Stripe investiert hat.
Zum ersten Mal hat USV nun auch einen eigenen Klima-Fonds aufgelegt. 162 Millionen Dollar ist er schwer und investiert in Start-ups aus der ganzen Welt. So gehört Revos mit zum Portfolio – ein Start-up aus Indien, das das größte Ladenetzwerk für elektrische Zwei- und Dreiräder aufbauen will, genauso wie Transmutex aus der Schweiz. Das Start-up arbeitet an neuartigen Nuklearreaktoren, die auch Atommüll zum Teil in erneuerbare Energien umwandeln können.
Wenger schaut sich auch in Deutschland um. „Es könnte gut sein, dass wir in den kommenden Monaten oder Jahren auch in ein deutsches Klima-Start-up investieren“, sagt er.
Mit seinem Klima-Fonds ist Union Square Ventures in guter Gesellschaft. Eine Reihe anderer Risiko-Kapitalgeber haben in diesem Bereich ebenfalls ihre Schwerpunkte gesetzt. General Atlantic etwa kündigte im Juli einen vier Milliarden Dollar schweren Fonds an, der sich auf sogenannte Growth Equity Investments konzentriert. Das ist Wachstumskapital für Unternehmen, die schon relativ weit entwickelt sind und kurz vor dem Börsengang stehen. Die Private-Equity-Firma TPG sammelte Anfang des Jahres 5,4 Milliarden Dollar für ihren ersten Klimafonds bei Geldgebern ein.
Für Wenger wie für viele andere ist die Bekämpfung der Klimakrise das gegenwärtig drängendste Thema. „Greta Thunberg wird oft dafür kritisiert, dass sie zu dramatisch und überzogen ist. Aber meines Erachtens hat sie genau die richtige Alarmstufe. Die meisten Verantwortlichen haben sie dagegen nicht“, stellt er klar. „So wie die Politik und viele Firmen darüber sprechen, ist es immer noch etwas, was in der Zukunft spielt und noch nicht so schlimm ist.“
Experte Wenger glaubt: 100 Mal so viele Investitionen nötig
Während sich die Bankenwelt gerade mit Greenwashing-Vorwürfen rund um sogenannte ESG-Fonds herumschlägt, suchen Risikokapitalgeber nach vielversprechenden Technologien, um die Klimakrise zu bekämpfen und ihren Geldgebern gleichzeitig lukrative Renditen zu bescheren – so, wie sie es von alternativen Investments gewohnt sind.
Dieser Ansatz findet in der Finanzwelt prominente Unterstützer. Auch Tariq Fancy, der frühere Chef für nachhaltiges Investieren beim weltgrößten Vermögensverwalter Blackrock, sprach sich zuletzt dafür aus, riskante Investitionen in vielversprechende nachhaltige Technologien zu erhöhen. „Davon müsste es deutlich mehr geben“, betonte er im Gespräch mit dem Handelsblatt. ESG-Investments hält er dagegen für „ein gefährliches Placebo“. Sie würden Anlegern vorgaukeln, etwas Gutes zu tun, doch am Problem am Ende nichts ändern.
Auch Wenger ist der Auffassung, dass noch viel mehr Geld in den Bereich fließen müsste. „Es tut sich wahnsinnig viel. Doch es muss das Hundertfache an Geld kommen – sowohl an Risikokapital als auch an öffentlichen Geldern“, fordert er. Regierungen müssten „50 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts zur Bekämpfung der Klimakrise verwenden“. Das sei etwa so viel, wie die USA im Zweiten Weltkrieg ausgegeben hätten. „Und ich glaube, wir müssen zu einem ähnlichen Grad der Mobilisierung kommen. Weltweit und für mehrere Jahre in Folge.“
Sorge, dass es angesichts der steigenden Anzahl von Klimafonds nicht genügend Möglichkeiten zum Investieren gebe, hat Wenger indes nicht. Schon länger beobachtet er das steigende Interesse von Gründern an Klima-Technologien. Vor zehn Jahren habe es viele noch in die Bereiche Gesundheit und Bildung gezogen. „Jetzt wollen alle an Klimaprojekten arbeiten.“
In welches Start-up Wenger selbst investiert hat
Das beinhalte auch Innovationen im Bereich der Nuklearenergie, ohne die die Dekarbonisierung der Wirtschaft nicht funktionieren werde. Wenn die USA in viele kleine Nuklearreaktoren investieren würden, könnte das Stromnetz in fünf Jahren komplett CO2-neutral werden, glaubt der Investor.
Privat hat Wenger in das Münchener Start-up Marvel Fusion investiert, das auf Energieerzeugung durch Kernfusion setzt. „Die Idee, dass man auf 100 Prozent erneuerbare Energien kommen kann, ist in der nahen Zukunft einfach nicht möglich, weil die Speicherfähigkeit fehlt“, stellt Wenger klar – auch wenn er selbst großer Fan von erneuerbaren Energien sei.
Die Pandemie habe es für Risikokapitalgeber noch einfacher gemacht, in Unternehmen aus der ganzen Welt zu investieren. In der Vor-Corona-Zeit haben Investoren viel Zeit mit Reisen verbracht, um Start-ups vor möglichen Finanzierungsrunden persönlich zu treffen. Pitch-Meetings über Zoom haben sich nun jedoch etabliert. So können Risikokapitalgeber mehr Start-ups sehen als früher.
„Der Markt ist global. Ob die Start-ups in San Francisco sitzen oder in Oslo, ist egal“, sagt Wenger. Schon vor der Pandemie hätten Risikokapitalgeber verstärkt in andere Unternehmen investiert, die sind nicht in Amerikas Innovationszentrum, dem Silicon Valley, liegen. Der Trend hat sich nun noch beschleunigt. Besonders in Indien entstehen so viele Start-ups mit Milliardenbewertungen – Einhörner genannt – wie noch nie.
Die Bewertungen seien indes anhaltend hoch. „Es ist viel Kapital unterwegs, das meiste ist immer noch auf Software ausgerichtet.“ Schon seit Jahren geht Wenger davon aus, dass es zu einer Korrektur kommen muss. „Doch ich lag immer falsch“, räumt er ein. „Daher muss ich jetzt einfach sagen: Ich weiß nicht, wie sich die Bewertungen entwickeln werden.“
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