Ehemalige Landesbank WestLB-Nachfolger streiten wegen Cum-Ex-Geschäften vor Gericht um eine Milliarde Euro

Der Rechtsnachfolger der zerschlagenen WestLB will mögliche Steuernachzahlungen teils auf die nordrhein-westfälischen Sparkassen abwälzen.
Frankfurt, Düsseldorf Neun Jahre nach dem Ende der WestLB, der einst größten deutschen Landesbank, streiten sich zwei Folgegesellschaften um die Frage, wer drohende Steuerrückzahlungen aus illegalen Aktiengeschäften übernehmen muss. Die WestLB-Nachfolgefirma Portigon will die möglichen Steuerrückforderungen auf die Erste Abwicklungsanstalt (EAA), die WestLB-Bad-Bank abwälzen – und damit vom Land auf die Sparkassen. Der Streitwert vor Gericht beläuft sich nach Handelsblatt-Informationen auf eine Milliarde Euro.
Die Portigon hat die EAA auf Übernahme der möglichen Steuerschulden vor dem Landgericht Frankfurt verklagt (AZ: 2-27 O 328/2). Eine Gerichtssprecherin erklärte auf Anfrage, dass nach einer Klageerweiterung Zahlungen von knapp über einer Milliarde Euro geltend gemacht würden. Für kommenden Mittwoch hat das Gericht einen Verkündungstermin anberaumt. Womöglich kommt es bereits dann zu einem Urteil.
Hintergrund der Auseinandersetzung ist, dass Portigon aufgrund sogenannter Cum-Ex-Geschäfte der Düsseldorfer WestLB mit enormen Steuernachzahlungen rechnen muss. Die möglichen Steuerrückforderungen belaufen sich auf mehr als 500 Millionen Euro. Weil es teilweise um lange zurückliegende Jahre geht, kommen enorme Zinsen hinzu.
Während der erste Eindruck nahelegt, dass hier die eine Staatsbank der anderen die Schuld zuschiebt, zeigt ein Blick in die Eigentümerstruktur, was hinter der Klage steckt. Portigon gehört komplett dem Land Nordrhein-Westfalen. An der EAA halten die beiden nordrhein-westfälischen Sparkassenverbände zusammen 50 Prozent der Anteile, die andere Hälfte liegt beim Land. NRW und die dortigen Sparkassen waren auch die Eigentümer der untergegangenen WestLB.
Weder Portigon noch die EAA wollten sich auf Nachfrage zu der Klage äußern.
Staatsanwaltschaft ermittelt längst wegen Cum-Ex-Geschäften
Die WestLB hatte in der Finanzkrise enorme Verluste angehäuft und wurde 2012 zerschlagen. Portigon wurde im Wesentlichen gegründet, um die Pensionslasten der ehemaligen WestLB-Mitarbeiter zu schultern. Die EAA soll den Wertpapier- und Kreditbestand der untergegangenen Landesbank abbauen.
Gestritten wird nun darüber, ob bei der Schaffung der EAA in den Verträgen explizit oder implizit vereinbart wurde, dass auch Steuerverbindlichkeiten der früheren WestLB von der EAA übernommen werden. Zudem dürfte es darum gehen, ab wann der WestLB beziehungsweise Portigon klar war, dass die Behörden den Cum-Ex-Geschäften nachspüren und die unrechtmäßigen Steuererstattungen zurückfordern könnten.
Als das Handelsblatt 2015 erstmals über einen Datenträger berichtete, auf dem die Cum-Ex-Geschäfte der WestLB dokumentiert waren, stritten die Betroffenen ab, in den Skandal verwickelt zu sein. Ein halbes Jahr später kam die Staatsanwaltschaft ins Haus. Nach weiteren drei Jahren Ermittlungen gab die Portigon bekannt, sie müsse Rückstellungen von gut einer halben Milliarde Euro bilden – wegen Cum-Ex-Geschäften der WestLB. Die Kosten könnten weiter wachsen. Ehemalige Geldgeber der WestLB haben Portigon am Landgericht Düsseldorf auf Schadensersatz verklagt.
Sollte am Schluss tatsächlich die EAA für die Steuerschulden aufkommen, müssten die Sparkassen nicht unmittelbar für die Hälfte der Steuerschulden – also etwa 500 Millionen Euro – geradestehen. Das Eigenkapital der EAA belief sich per Ende Juni 2021 auf fast 690 Millionen Euro. Darauf könnte die EAA zunächst zugreifen.
Die nordrhein-westfälischen Sparkassen müssen zudem ohnehin für einen Teil der auch künftig noch drohenden Verluste der EAA einstehen und deshalb bis zum Jahr 2035 insgesamt rund 4,5 Milliarden Euro ansparen. Nahezu die Hälfe davon dürften die Sparkassen bereits beiseitegelegt haben.
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