Kundenberatung Die Hypo-Vereinsbank testet als erste Großbank einen Voicebot

Das Projekt Voicebot genießt bei der Bank hohe Priorität.
München Die Hypo-Vereinsbank (HVB) will zum Vorreiter bei der Kundenberatung über einen digitalen Stimmenroboter werden. Ab Ostern können in einem weiteren Schritt eines Pilotprojekts mehr als eine halbe Million Kunden über einen sogenannten Voicebot mit ihrer Bank kommunizieren.
Die Bandbreite reicht von Serviceangeboten über Beratung in einfachen Bankprodukten bis hin zur Weiterleitung an einen echten Berater, wenn komplexe Fragestellungen wie Baufinanzierungen oder die Strukturierung eines Depots zu komplex für den Computer sind. „Das Ziel ist es, in Service und persönlicher Beratung die Grenzen zwischen Filiale, online und mobile aufzulösen“, sagt Jörg Frischholz, seit einem Jahr Vorstand für den Privatkundenbereich bei der Hypo-Vereinsbank.
Mit der Installierung eines Voicebots, der sich durch die Anwendung Künstlicher Intelligenz mit dem Kunden unterhält, sieht sich die deutsche Unicredit-Tochter als Vorreiter unter den Geschäftsbanken. Ähnliche Projekte in der Versuchsphase gibt es zwar inzwischen auch anderswo, ein Großversuch mit mehr als einer halben Million Kunden ist jedoch nicht in Sicht.
Die Gründe dafür liegen vor allem in der erheblichen Komplexität. Anders als bei bisher bekannten Sprachfunktionen fragt der Voicebot keine Schlüsselwörter mehr ab, sondern stellt dem Kunden eine offene Frage. Für den Computer bedeutet das eine erhebliche technische Herausforderung, denn das Themenspektrum ist riesig und die Arten der Formulierung sind vielfältig. Hinzu kommen Besonderheiten wie Nuscheln, Dialekt oder mangelnde Sprachkenntnisse.
Bei der Hypo-Vereinsbank sieht man sich inzwischen so breit aufgestellt, dass das Haus den Feldversuch in großem Rahmen wagt. „Der Voicebot ist zu Beginn pure Technologie, deswegen haben wir ihn für unsere Inhalte jeden Tag trainiert, um am Bedarf der Kunden zu lernen“, so Privatkundenvorstand Frischholz über die Anfänge.
Hohe Erkennungsrate
Antworten auf Standardfragen schafft der Voicebot inzwischen zu hundert Prozent. Bei mehr als 300 sogenannten Intents – dabei handelt es sich um thematische Antworten auf Kundenanfragen – liege die Erkennungsrate im ersten Versuch inzwischen bei über 80 Prozent, im zweiten über 95 Prozent. Mit anderen Töchtern der Unicredit-Gruppe, die ebenfalls am Thema Voicebot arbeiten, gibt es Synergien, auch wenn es überall länderspezifische Besonderheiten gibt.
Viele Banken, Finanzdienstleister und Versicherer setzen bereits Chatbots für Service und Beratung ein. Diese Computersysteme kommunizieren im Gegensatz zu Voicebots über Texteingabe anstatt über gesprochene Sprache mit dem Nutzer. Solche virtuellen Assistenten galten lange als eine Möglichkeit, den Kundenservice zu automatisieren und Hotlines ganz oder teilweise zu ersetzen.
Allerdings arbeiten die Systeme noch nicht komplett zuverlässig: Bei einer Untersuchung der Hochschule Aalen erzielten Chatbots bei Kundenanfragen von Sparkassen- und Genossenschaftsbanken eine Trefferquote von rund 70 Prozent, während es Direktbanken und Fintechs nur auf 40 Prozent und Versicherer lediglich auf 35 Prozent brachten.
Genervte Kunden vermeiden
Für die Finanzhäuser sind solche Ergebnisse tendenziell schlecht fürs Image – ist für viele Kunden der erste Kontakt via Chatbot doch auch ein Versuch, eine Alternative zu den bisherigen Kontaktmöglichkeiten zur Bank zu testen. Gibt es da bereits Probleme, ist die Verärgerung oftmals groß. Neues probieren Kunden dann eher ungern aus.
Die Priorität des Erstkontakts haben sie auch bei der Hypo-Vereinsbank erkannt und wollen beim Pilotprojekt Voicebot unbedingt vermeiden, dass Kunden entnervt auflegen. Gerade durch die Erfahrungen der Pandemie hat sich deren Verhalten im Umgang mit technischen Innovationen enorm verändert. In einer aktuellen Umfrage des Beraters Cap Gemini unter 5300 Nutzern gaben 78 Prozent an, dass sie vermehrt kontaktlose Interaktionen nutzen, beispielsweise über Sprachassistenten. Vor Covid-19 lag die Zahl bei 61 Prozent.
Projektteam misst reale Kundenwünsche
Die Grundsatzentscheidung für das Großprojekt Voicebot war bei der HVB schon gefallen, bevor Frischholz vor einem Jahr die Position als Privatkundenvorstand übernahm. In der Zentrale genießt das Projekt hohe Priorität. Frischholz spricht von einer „signifikanten Investition“, ohne dabei konkrete Zahlen zu den Kosten zu nennen. Die erste Pilotphase begann Ende vergangenen Jahres mit einer kleinen vierstelligen Kundenzahl. Der endgültige Start für alle Kunden der deutschen Unicredit-Tochter ist noch in diesem Jahr geplant.
Bis dahin soll das Projektteam der Bank das System durch die tägliche Praxiserfahrung mit realen Wünschen der Kunden stetig weiterentwickeln. Bei deren Anfragen und Bedürfnissen – den Intents – soll die Geschwindigkeit der Bearbeitung ebenso gemessen werden wie die Genauigkeit, die Nutzerfreundlichkeit, der Grad der Information sowie letztendlich auch die Art der Unterhaltung.
Dieses Gesamtpaket wünschen sich die meisten Kunden bei der virtuellen Interaktion mit ihrer Bank. Am Ende soll ein Erlebnis stehen, das einer realen Konversation ähnelt. Zu diesem Ergebnis kommen die Berater von Cap Gemini. In einer Umfrage gaben 35 Prozent der Befragten an, dass ihnen bei den bisherigen Angeboten der Banken zur virtuellen Interaktion das menschenähnliche Erlebnis fehlt.
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