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Zahlungsverkehr Wirecard und seine Konkurrenten trotzen der Coronakrise

Mit der Pandemie ist in vielen Branchen das Geschäft eingebrochen. Manche Zahlungsdienstleister profitieren dagegen vom stärkeren Onlinehandel.
31.03.2020 - 04:00 Uhr Kommentieren
Der Zahlungsdienstleister steht im Fokus der Anleger. Quelle: imago images/Sven Simon
Wirecard

Der Zahlungsdienstleister steht im Fokus der Anleger.

(Foto: imago images/Sven Simon)

Frankfurt Es war eine Meldung, die aufhorchen ließ: Bereits Ende Februar informierte der Zahlungsdienstleister Wirecard über die möglichen Auswirkungen der Coronakrise für den Konzern: „Wirecard geht nicht davon aus, dass die Folgen des Virus einen nachhaltigen negativen Einfluss auf die Finanzinfrastrukturdienste oder interne Prozesse haben werden“, hieß es damals. Das geplante Ergebnis des ersten Quartals bleibe konstant, die Gewinnprognose für 2020 ebenso.

Und das, obwohl das Coronavirus in Asien, Wirecards wichtigstem Markt, damals bereits auf dem Vormarsch war. In China lag die Zahl der Neuinfektionen bei knapp 2 000 pro Tag. Auch in Deutschland gab es erste Fälle. Wirecard blieb dennoch auch in der Folgezeit optimistisch. Am 18. März bestätigte der Konzern seine Prognose: Man habe die Quartalsplanung erneut überprüft. „Es gelten weiterhin die Aussagen vom 27. Februar 2020.“

Mit solch zuversichtlichen Tönen ist Wirecard in der Wirtschaftswelt eine der ganz wenigen Ausnahmen. Für Ökonomen ist klar: Die globale Rezession steht bevor. Analysten der US-Großbank Morgan Stanley erwarten etwa einen Einbruch des europäischen Wirtschaftswachstums von knapp fünf Prozent im ersten Quartal, von knapp zehn Prozent im zweiten.

Und viele deutsche Firmen sehen sich durch die Coronakrise bereits existenziell bedroht: Fast 20 Prozent der Unternehmen fürchten die Insolvenz, wie eine Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertags ergab. 80 Prozent rechnen mit Umsatzeinbußen im Jahr 2020, viele davon mit einem Absturz.

Angesichts solcher Prognosen zeigen sich andere Zahlungsdienstleister nicht so hoffnungsvoll wie Wirecard. Und doch dürfte die Branche insgesamt deutlich besser durch die Krise kommen als viele andere Sektoren der Realwirtschaft. Schließlich verdienen gut aufgestellte Unternehmen hier an jeder Zahlung mit – ob sie nun für Luxusartikel erfolgt oder für Atemschutzmasken. Derzeit gilt das umso mehr, wenn Zahlungsdienstleister bei der Abwicklung von Zahlungen für das Onlineshopping stark vertreten sind. Innerhalb der Branche könnte die Krise zu einer deutlichen Verschiebung der Marktanteile führen.

Vorsicht bei Adyen und Paypal

Fragt man in der Branche nach den Auswirkungen der Coronakrise, gibt sich Wirecard mit Abstand am optimistischsten. Sehr viel vorsichtiger äußert sich der wichtigste europäische Konkurrent, Adyen aus Amsterdam. Die Niederländer fürchten durch die Viruspandemie eine deutliche Konjunkturbelastung.

Die Verbraucher könnten ihr Verhalten angesichts der schwierigen Wirtschaftslage ändern, erklärte das Unternehmen am vergangenen Dienstag mit der Veröffentlichung des Geschäftsberichts für 2019. Und das würde letztlich Volumen und Transaktionszahlen auf Adyens Plattform verringern. „Aktuell ist es zu früh zu sagen, welche Auswirkungen die Coronakrise auf unser Geschäft hat“, ergänzte Adyen.

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Zurückhaltend argumentiert auch der US-Bezahldienstriese Paypal. Er hatte bereits Ende Februar die Umsatzerwartung für das erste Quartal gedämpft. Zur jüngsten Entwicklung der Volumina äußert er sich jedoch nicht. „Welche Implikationen die Coronakrise auf den Onlinehandel und damit auch auf das Online-Payment in den nächsten Wochen haben wird, lässt sich aufgrund der sich täglich ändernden Situation nur schwer prognostizieren“, erklärt Paypal.

Hierzulande zählt der US-Dienst weitaus mehr Nutzer als die heimischen Konkurrenten Paydirekt und Giropay, er will sich zur Entwicklung auf dem deutschen Markt aber gar nicht äußern. Dafür erkennt Paydirekt, der Onlinebezahldienst deutscher Banken, auf Nachfrage eine signifikante Verschiebung der Transaktionen zwischen verschiedenen Branchen. Und genau dieses Thema dürfte für den Sektor noch wichtig werden.

Womöglich führt die Coronakrise in der Branche zu einer Zweiteilung: Auf der einen Seite stünden dann die Firmen, die vor allem Zahlungen an der Ladenkasse abwickeln. Sie müssen mit einem herben Rückgang der Transaktionen rechnen: Die meisten Geschäfte sind geschlossen, folglich dürfte es den Zahlungsdienstleistern auch wenig helfen, dass immer mehr Verbraucher in Supermärkten und Drogerien digital mit Karte zahlen. Auf der anderen Seite stünden die Dienstleister, die sich auf die Zahlungsabwicklung im Onlineshopping konzentrieren. Dieses gilt als Wachstumssegment – schon vor der Coronakrise und jetzt umso mehr. Davon könnten Adyen, Paypal, aber auch Wirecard profitieren.

Wachstum im E-Commerce

Als Krisengewinner sieht sich in jedem Fall Wirecard. Die breite Verankerung im E-Commerce helfe aktuell, erklärt der Konzern. „Produkte, die die Leute früher im Laden gekauft haben, etwa Lebensmittel oder Drogerieartikel, bestellen sie in der Krise zunehmend online“, sagt Georg von Waldenfels, Leiter Unternehmensentwicklung. Und genau im wachsenden E-Commerce sei Wirecard gut aufgestellt: Rund 85 Prozent des Transaktionsvolumens basierten auf dem Onlinesektor, rund 15 Prozent auf dem Einzelhandel.

Auch Ralf Gladis, Co-Geschäftsführer des Zahlungsdienstleisters Computop aus Bamberg, meint: „Da ein Großteil der Nachfrage aufgrund der Ausgangssperren wochen- oder monatelang ins Internet wandert, ist im Online-Payment mit großem Wachstum zu rechnen.“ Computop ist ein sogenannter Payment Service Provider (PSP) und stellt als IT-Dienstleister verschiedene Zahlungsmethoden, darunter Kreditkarte, Paypal und Kauf auf Rechnung, für Onlineshops bereit. Adyen und Wirecard sind sowohl Zahlungsabwickler als auch PSP.

Das von Computop registrierte „deutliche Nachfragewachstum im E-Commerce“ verzeichnen auch andere Onlinebezahldienste. Sie wickeln derzeit mehr Zahlungen ab als vor der Coronakrise. So verzeichne Giropay, neben Paydirekt ein Gemeinschaftsunternehmen der deutschen Banken, in der aktuellen Situation einen Anstieg der Transaktionen von mehr als 15 Prozent gegenüber Ende Februar, wie Geschäftsführer Joerg Schwitalla sagt.

Schwitalla registriert deutliche Zuwächse etwa bei Lieferdiensten, Drogerien und Apotheken. „Und auch die Online-Gaming-Branche wächst, weil Menschen jetzt auf einmal mehr Zeit zu Hause verbringen und nach Beschäftigung suchen.“

Auch Wirecard betont diese Verschiebungen. „Das Konsumverhalten wandelt sich in der Krise rasant, nicht nur in Europa, sondern auch in Asien“, sagt von Waldenfels. „Derzeit verzeichnen wir enorme Steigerungsraten in den Sektoren Lebensmittel, Verbrauchsgüter sowie digitale Güter wie zum Beispiel Streaming, Arbeitsplattformen, Videokonferenzsysteme und Entertainment, etwa Onlinespiele.“ Diese Bereiche machten rund 30 Prozent des abgewickelten Volumens aus. Und in den anderen Segmenten sei das Geschäft stabil.

Aufgrund des genannten Wandels halte Wirecard auch an den Zielen für 2020 fest: Die Verschiebungen kompensierten die Rückgänge in anderen Bereichen. Gemeint ist vor allem das Reisegeschäft. Das ist für viele Zahlungsdienstleister ein Sorgenkind – schließlich war der Tourismus im E-Commerce schon früh besonders bedeutend.

Rückgang bei Reise und Einzelhandel

Giropay sieht aktuell etwa „sinkende Transaktionszahlen in der Reisebranche“. Auch Computop spricht von Einbrüchen bei Produkten oder Dienstleistungen, die aufgrund der Krise kaum verkäuflich seien, „beispielsweise Reise- und Hotelbuchungen“.

Wirecard hat das Travel-Segment in der Vergangenheit als wichtiges Standbein betont, nun verzeichnet der Konzern einen „starken Rückgang“ im Geschäft mit Fluggesellschaften und Reiseveranstaltern. „Wenn die Flugzeuge der Airlines am Boden bleiben, bleiben auch die Bezahlströme aus“, erklärt von Waldenfels. Stark rückgängig sei zudem „das Einzelhandelsgeschäft mit Lifestyle- und Luxusgütern“. Dieses Geschäft mache zusammen mit dem Bereich Reisen etwa 20 Prozent des abgewickelten Transaktionsvolumens aus.

Wenn Reisen und Einzelhandel so stark einbrechen: Woher kommt dann der Optimismus in Aschheim? Ein Grund: Wirecard hofft, dass sich die aktuellen technischen Umbrüche langfristig auszahlen. Auch in der Krise müssten die Menschen essen, telefonieren, konsumieren und bezahlen, betont von Waldenfels. Und ausgerechnet die Virusprävention verstärke nun einen Trend: den zum bargeldlosen Bezahlen.

„Das Thema digitales, kontaktloses und mobiles Bezahlen erfährt derzeit einen großen Aufschwung“, sagt der Manager. Selbst Taxifahrer, bekannt für ihre Bargeldliebe, fragten nach der Kreditkarte, da Geldscheine virenbehaftet sein könnten. In vielen Geschäften werde Smartphonezahlung begrüßt. Für Wirecard ist das dauerhaft positiv: „Kunden, die einmal umgestiegen sind, werden ihr Kaufverhalten auch nach der Krise wenig ändern“, glaubt von Waldenfels.

Auch Martina Weimert, Partnerin der Beratungsgesellschaft Oliver Wyman, sagt: „Wir gehen davon aus, dass auch nach der Krise viele Verbraucher mit Karte oder Smartphone bezahlen und Bargeld so wenig wie möglich wollen.“

Aktuelle Zahlen zum Anstieg bargeldloser Transaktionen weist Wirecard nicht aus. Den allgemeinen Trend spiegeln jedoch Daten der Deutschen Kreditwirtschaft (DK) wider: Laut dem Spitzenverband nutzen heimische Bankkunden in der Coronakrise verstärkt die Möglichkeit, kontaktlos zu bezahlen. In den vergangenen Tagen sei mehr als die Hälfte aller Girocard-Zahlungen so durchgeführt worden, teilte die DK mit, im Dezember habe der Anteil noch bei 35 Prozent gelegen.

Dauerrezession als größte Gefahr

So erfreulich der Anstieg der bargeldlosen Zahlungen für die digitalen Payment-Konzerne auch ist: Das Virus und seine Bekämpfung bleiben die zentrale Herausforderung für 2020. Zwar steigt in den geöffneten Geschäften die Zahl der bargeldlosen Transaktionen. In vielen Ländern der Welt, darunter den großen Volkswirtschaften in Europa und Nordamerika, gilt jedoch ein strenger Shutdown. Meist dürfen nur noch Apotheken, Supermärkte und Drogerien geöffnet bleiben, in der Folge sind die Transaktionen im Einzelhandel stark gesunken.

Das ist für alle großen Zahlungsdienstleister ein Problem. Auch wenn der Onlinehandel wächst – noch ist der Einzelhandel ein zu großer Umsatzbringer. Und das Worst-Case-Szenario ist in den Aktienkursen bisher noch gar nicht eingepreist: Wenn die Weltwirtschaft aufgrund der Viruskrise in eine lang anhaltende, tiefe Rezession taumelt, könnte das auch viele Zahlungsdienstleister treffen.

Und es gebe noch weitere Herausforderungen, wie Beraterin Weimert sagt: „Zum einen gibt es angesichts des stärkeren E-Commerce-Geschäfts auch mehr Betrugsversuche. Zum anderen stehen sehr viele Rückbuchungen an, zum Beispiel, weil Verbraucher Reisen nicht antreten. Dort wird sich nun zeigen, wie gut einzelne Zahlungsdienstleister dafür gewappnet sind.“

Nur ein Unternehmen behält seinen unerschütterlichen Optimismus bei: Wirecard. „Sollte die Weltwirtschaft aufgrund der Viruskrise in eine anhaltende Rezession taumeln, würde das Wire‧card eher weniger treffen“, verkündet von Waldenfels. Schon die Finanzkrise ab 2008 habe gezeigt, dass sich Trends wie die Digitalisierung auch in einem schwachen wirtschaftlichen Umfeld fortsetzten.

„Wenn die Menschen vielleicht auch keine großen Investitionen tätigen, so nutzen sie doch für ihr tägliches Leben Onlineangebote. Und auch wenn man keine lange Reise buchen kann, dann hoffentlich bald wieder einen Städtetrip am Wochenende“, sagt der Manager. Auch kämen aus den Schwellenländern schon wieder hellere Signale, und „hier sind wir stark vertreten, was uns von anderen, auf Europa fokussierten Zahlungsdienstleistern unterscheidet“.

Mehr: Warum es so viele Übernahmen unter Zahlungsdienstleistern gab - und die Aktienkurse bis zur Coronakrise nach oben geschossen sind.

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