Corona-Pandemie Impfpflicht und mehr Homeoffice: Delta zwingt US-Arbeitgeber zu unangenehmen Entscheidungen

Viele Banken haben ihre Mitarbeiter bereits im Juni oder Juli zurück in die Bürotürme Manhattans beordert.
New York Die Modebranche hat sich längst auf die Rückkehr der Berufstätigen in die Büros eingestellt. Das New Yorker Nobelkaufhaus Saks Fifth Avenue verkauft so viele Blusen, Kleider und Sandalen wie seit 2019 nicht mehr. Ralph Lauren, eine gerade an der Wall Street beliebte Modemarke, meldet in Nordamerika ein Umsatzplus von 300 Prozent. Das Label „White House Black Market“ wirbt mit „Outfits für eine stressige Woche“ und dem „perfekten Kleid fürs Eck-Büro“.
Doch angesichts der rapide steigenden Corona-Infektionen könnten Kostüm und Krawatte noch länger auf ihren Einsatz warten müssen als ursprünglich geplant. Immer mehr Unternehmen in den USA verschieben die Rückkehr ins Büro und verschärfen ihre Vorschriften für all jene, die nicht von zu Hause aus arbeiten können.
Die hochansteckende Delta-Variante führt dazu, dass nicht nur die Fallzahlen, sondern auch die Krankenhauseinlieferungen in allen US-Bundesstaaten steigen. Immer öfter ist nun die Rede davon, dass sich auch vollständig geimpfte Personen infizieren – wie zum Beispiel der einflussreiche republikanische Senator Lindsay Graham. Vor wenigen Wochen galt das noch als absolute Ausnahme.
New York schrieb am Dienstag Restaurants, Bars, Fitnessstudios und anderen Einrichtungen vor, Impfausweise der Kunden zu kontrollieren. Es ist die erste Stadt in den USA, die dies anordnet, nachdem sie zum frühen Epizentrum der Pandemie geworden war.
Landesweit ist die Zahl der Infektionen in den vergangenen 14 Tagen um 172 Prozent gestiegen und die Zahl der Toten um 27 Prozent. Der Bundesstaat Florida meldete am Sonntag die höchsten Infektionszahlen überhaupt. Krankenhäuser sind stellenweise erneut überlastet. Ohnehin ist es in der Pandemie deutlich schwieriger geworden, Fachpersonal zu finden oder zu halten.
Rückkehr ins Büro verschoben
Eine ganze Reihe von Unternehmen hat bereits reagiert. Viele wollten ihre Mitarbeiter eigentlich Anfang September zurück in die Büros beordern. Doch angesichts der angespannten Lage halten das viele Manager für nicht mehr vertretbar.
Apple hatte Mitte Juli bereits den Anfang gemacht und die geplante Rückkehr nun auf „frühestens Anfang Oktober“ angesetzt. Andere Konzerne zogen nach: Google hat die Heimarbeit bis Mitte Oktober ausgeweitet, genauso wie der Versicherungskonzern Travelers. „Deine Chancen, zurück ins Büro zu gehen, werden jeden Tag geringer“, titelte das Onlinemagazin „Mother Jones“.
Twitter hatte seine Büros in San Francisco und New York nur für ein paar Wochen geöffnet und nun wieder geschlossen. Einen Plan für die Wiedereröffnung gibt es derzeit nicht. Jack Dorsey, der sowohl Twitter als auch den Bezahldienst Square leitet, hat den Mitarbeitern beider Unternehmen in Aussicht gestellt, nie wieder ins Büro zu müssen, wenn sie nicht wollen. Auch die „New York Times“ hat die Rückkehr in die Büros auf unbestimmte Zeit verschoben.
Unternehmen stehen vor einer schwierigen Entscheidung: Wie lange sollen sie die Homeoffice-Phase ausweiten? Firmen wie der Fahrdienstanbieter Lyft und das Software-Unternehmen Asana peilen nun Februar 2022 an. Dann wären die Mitarbeiter knapp zwei Jahre im Homeoffice. Dieser lange Planungshorizont hat Vorteile, wie das Analyse- und Beratungshaus Gartner for HR zu bedenken gibt. Die Rückkehr ins Büro immer wieder um wenige Wochen zu verschieben, könnte dagegen am Ende zu mehr Unmut in der Belegschaft führen, was der Firmenkultur und dem Vertrauen ins Unternehmen am Ende mehr schaden könnte, als es nützt.
Ohnehin sind es vor allem Führungskräfte und nicht die Mitarbeiter, die auf eine Rückkehr in die Büros drängen, wie eine Gartner-Umfrage zeigt. „39 Prozent der Angestellten seien demnach eher bereit, ihren Job zu wechseln, als sich von den Chefs zurück ins Büro beordern zu lassen“, sagt Beraterin Rachael Marshall.
Maskenpflicht macht die Büros unattraktiv
Beim Thema Impf- und Maskenpflicht haben sich Unternehmen lange zurückgehalten und gehofft, die Mitarbeiter und Kunden würden sich aus eigener Überzeugung impfen lassen und Masken tragen. Nun jedoch treffen immer mehr Firmen unangenehme Entscheidungen, ermutigt auch durch die revidierten Richtlinien der Seuchenschutzbehörde CDC.
Walmart, der größte private Arbeitgeber der USA, teilte mit, dass für die Mitarbeiter in der Zentrale in Bentonville im US-Bundesstaat Arkansas eine Impfpflicht gilt. Der Großteil der 1,6 Millionen Mitarbeiter jedoch ist davon nicht betroffen. Sie arbeiten in den Lagerhallen und Filialen.
Das Unternehmen muss eine schwierige Balance finden. Wie viele andere Konzerne auch sucht Walmart gerade händeringend neue Mitarbeiter. Der Konzern will diese nicht unnötig mit der Impfpflicht verschrecken. Gleichzeitig könnten sich andere Mitarbeiter und Kunden sicherer fühlen, wenn alle geimpft wären.
Walt Disney macht die Impfung für Mitarbeiter verpflichtend, die keiner Gewerkschaft angehören. Gleiches gilt für alle neu Eingestellten. Apple hat zudem eine Maskenpflicht für Mitarbeiter eingeführt. Diese gilt in mehr als der Hälfte der Bundesstaaten auch für die Apple-Stores.
Auch Facebook und viele andere kalifornische Konzerne haben inzwischen eine Maskenpflicht im Büro für alle Mitarbeiter eingeführt, die physisch präsent sein müssen oder freiwillig dort arbeiten. Das macht eine mögliche Rückkehr für eine große Anzahl an Mitarbeitern jedoch noch unattraktiver. „Ich arbeite im Vertrieb und hänge den ganzen Tag in Zoom-Calls oder am Telefon. Da kann ich doch nicht ständig meine Maske aufhaben“, gibt eine Mitarbeiterin eines Software-Unternehmens zu bedenken.
Wie sich die Wall Street angesichts der nun wieder angespannten Lage verhält, ist indes noch unklar. Viele Banken haben ihre Mitarbeiter bereits im Juni oder Juli zurück in die Bürotürme Manhattans beordert. Goldman-Sachs-CEO David Solomon ließ sich im Juli vom Börsensender CNBC in der Cafeteria der Zentrale in Manhattan interviewen, um zu zeigen, „wie froh die Leute sind, wieder hier zu sein.“
Die Bank habe die richtigen Schutzmaßnahmen getroffen, wie Solomon damals betonte. Bis auf die Citigroup haben sich alle US-Großbanken in der Vergangenheit für eine schnelle Rückkehr zur alten Arbeitswelt ausgesprochen. Nun heißt es aber bei praktisch allen Instituten, dass sie „die Lage genau beobachten“.
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