Gastkommentar: Das Aus des Transrapids in Deutschland

Der Maglev wurde dann durch das deutsche Konsortium in Schanghai gebaut. Die Bauzeit des Projektes: 22 Monate (Weltrekord!).
In weniger als zweieinhalb Stunden von Berlin nach Amsterdam; CO2-emissionsfrei mit dem Transrapid statt mit dem Flieger – Zwischenstopps in Schwerin, Hamburg und Bremen. Das könnte heute Alltag sein, wir müssten nicht über Flugverbote diskutieren, nicht über die Pünktlichkeit der Bahn und hätten womöglich eine andere Klimadebatte.
Ende der 90er-Jahre arbeitete ein deutsches Konsortium (Siemens, Thyssen-Krupp und Transrapid International) unter Hochdruck an der Planung des ersten Projektabschnittes, der Magnetschnellbahn Berlin-Hamburg. Nach diesem Auftakt sollte es weiter gehen über Bremen nach Amsterdam. Weitere Strecken mit dem Knotenpunkt Berlin hätten ein hochmodernes transeuropäische Magnetschnellbahnnetz ergeben.
Ein neuer Verkehrsträger gesonderter Hochgeschwindigkeitstrassen mit Schnittpunkten in den Städten zum urbanen und regionalen Schienenverkehr, war nicht nur eine Vision, sondern ein konkreter Plan. Eine Vision des Tempos: Mit 500 Stundenkilometern Betriebsgeschwindigkeit hätte er jeglichen Flugverkehr bei Stadtmitte-Stadtmitte-Entfernungen bis zu 1600 Kilometern überflüssig werden lassen.
Und er ist extrem umweltfreundlich - nicht nur weil der Energiebedarf des Transrapids 20 Prozent unter den Werten des ICE liegt, sondern vielmehr durch die Substitution des innereuropäischen Flugverkehrs. So waren die Aussichten vor 20 Jahren, als der Abschluss des Planfeststellungsverfahren für die erste kommerzielle Anwendung nur noch ein formaler Akt war, der Bau der Strecke Berlin-Hamburg nur noch auf seine Freigabe wartete.
Es kam aber anders. Am 18. Februar 2000 beschloss die rot-grüne Bundesregierung das Aus der Erstanwendungsstrecke und somit das Aus des Transrapids in Deutschland. Die politische Verhinderung des Systemwechsels wurde besonders von den Grünen betrieben. Man verwies auf bestehende Systeme, nämlich „ein Gefährt, das noch schneller ist als der Transrapid...das Flugzeug“, so Albert Schmidt, Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag.
Und so fliegt man heute noch innerhalb Deutschlands, statt zum Beispiel in 55 Minuten mit dem Transrapid von Hamburg nach Berlin zu reisen.
Chinesen haben die Vorteile des Transrapids schnell erkannt
Im fernen Osten wusste man früh um die Vorteile dieser Technologie. Der Maglev, wie er auch genannt wird, wurde dann durch das deutsche Konsortium in Schanghai gebaut. Die Bauzeit des Projektes: 22 Monate (Weltrekord!). Damals waren wir in der Lage, Großprojekte termingerecht zu realisieren. Es war ein Rennen gegen die Zeit. Die Jungfernfahrt erfolgte gemäß Vertragstermin am 31. Dezember 2002! Seitdem ist der dort im Einsatz, mit einer nahezu hundertprozentigen Verfügbarkeit.
Die Chinesen arbeiteten seit damals konsequent daran, sich diese Technologie anzueignen, und sie haben es geschafft. Im Mai 2019 präsentierte CRRC (weltweit größter Schienenfahrzeughersteller) in ihrer Fabrik Si-Fang in Qingdao ihren selbst entwickelten „600 km/h Maglev“.
Auch die Japaner wissen um die Vorteile der Technologie. Die Hightech-Nation läutete bereits ein neues Zeitalter für Hochgeschwindigkeitszüge ein. Die japanische Magnetschnellbahn wird Tokio und Nagoya mit 600 km/h verbinden. Der Bau der Strecke ist im vollen Gange. Der Hyperloop in den USA ist ein weiteres Beispiel für die Machbarkeit zum Systemwechsel.
Vor zwanzig Jahren hat sich Rot-Grün gegen den klimafreundlichen Transrapid entschieden, der den innereuropäischen Flugverkehr hätte obsolet werden lassen. Ideologie statt einer sachlichen Entscheidungsweise verhindert die richtigen Weichenstellungen hin zur emissionsfreien Mobilität, die andere, nüchtern und rationale urteilende Entscheidungsträger, längst gefällt haben.
Gerade die Grünen müssen sich fragen lassen, ob sie mit einer ideologischen und partiell technikfeindlichen Einstellung ihrem Anliegen - dem Umweltschutz - nicht mehr geschadet als genutzt haben.
Gerade jetzt, da der Klimanotstand ausgerufen wurde, sollten sich die politisch Verantwortlichen der Frage zum Bau des Transrapids in Deutschland erneut stellen. Noch ist es nicht zu spät, früher gemachte Fehlentscheidungen zu korrigieren. Wir haben noch das Wissen in Deutschland für die Verkehrswende, um diese Technologie zu realisieren; oder wir warten ein paar Jahre, dann importieren wir den Maglev aus China.






Autor Johannes Braun war Baustellenleiter beim Shanghai Maglev Transrapid Project von 2001 bis 2003.
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