Gastkommentar: Deutschland muss seine teils unsäglichen Vorurteile über Europa überwinden

Hans Eichel war von 1991 bis 1999 Ministerpräsident von Hessen und von 1999 bis 2005 Bundesfinanzminister.
Die deutsche Europapolitik ist aus ihrer Erstarrung erwacht: erst der gemeinsame Vorschlag von Deutschland und Frankreich für einen 500-Milliarden-Aufbaufonds für Europa, finanziert durch gemeinsam garantierte Schuldenaufnahme im Haushalt der EU, ausgegeben als Zuschüsse für von der Coronakrise besonders betroffene Länder. Dann der Durchbruch beim EU-Gipfel, der auch eigene EU-Abgaben und Steuern vorsieht.
All das zeugt von einem europäischen Gestaltungswillen Deutschlands gemeinsam mit Frankreich, den Europa lange vermisst hat. Deutschland hat endlich begriffen, dass es künftig zwischen den beiden rivalisierenden Supermächten USA und China nur eine Chance auf Selbstbehauptung hat, wenn es sich mit allen anderen Europäern einig ist.
Doch das kann nur der Anfang sein. Frankreich, Deutschland und die EU-Kommission müssen gemeinsam und besser abgestimmt vorangehen (wie seinerzeit François Mitterrand, Helmut Kohl und Jacques Delors).
Deutschland wird eine gestaltende Rolle aber nur spielen können, wenn wir unsere teils unsäglichen und falschen Vorurteile über Europa und Deutschlands Rolle darin, die die interne Debatte hierzulande weitgehend prägen, überwinden und einen unverstellten Blick auf Europa werfen.





