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GastkommentarDie Erfolgsformel für mehr Vielfalt beginnt im Top-Management

Um in Deutschland mehr Frauen in Führungspositionen zu bekommen, muss der Kulturwandel in der Chefetage beginnen – also vor allem bei den Männern, meinen Eva Christiansen und Lena Kilee. 20.05.2024 - 15:24 Uhr
Die Autorinnen Eva Christiansen (l.) und Lena Kilee. Foto: Egon Zehnder, Finsbury Glover Hering, DigitalVision/Getty Images

Auf den ersten Blick scheint der Trend positiv: Der Frauenanteil in den Vorständen börsennotierter Unternehmen steigt. Im Dax 40 liegt er allerdings nur bei 23,2 Prozent. Und im internationalen Vergleich sieht der Wert noch weniger schmeichelhaft aus: Fast alle führenden Industrienationen sind deutlich weiter, allen voran die USA mit 32,6 Prozent. Auch Topgremien in Großbritannien (29,5 Prozent), Frankreich (27,9) und Schweden (27,2) lassen deutsche Vorstände alt aussehen – respektive männlich.

Aufzuholen ist schon rein statistisch eine Herausforderung. Denn beim Frauenanteil im Management insgesamt – also im Talentpool für künftige Vorstandspositionen – liegt Deutschland im Ranking von 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) weit abgeschlagen auf Platz 21.

Warum verändern sich deutsche Führungsetagen nur so langsam, obwohl mittlerweile bewiesen ist, dass diverse Teams die Unternehmensperformance steigern, es Quotenregeln gibt und es an wiederkehrenden Bekenntnissen zu mehr Diversität nicht mangelt?

Der Grundfehler ist, dass alles an der „Blaupause männlicher CEO“ gemessen wird

Traditionelle Rollenbilder halten sich in Deutschland ausgesprochen hartnäckig. Nach wie vor beeinflussen Geschlechter-Stereotype die Wahrnehmung. Damit sind nicht nur leicht zu widerlegende Mythen gemeint – wie die Behauptung, es gebe nicht genug Kandidatinnen oder Frauen seien nicht ehrgeizig genug. Frauen in Deutschland sind mit Sicherheit nicht weniger talentiert und ehrgeizig als in anderen Ländern.

Wir müssen unsere Perspektive ändern – weg von den Frauen, hin zu den Systemen, in denen sie agieren, und zu den Führungskräften an der Spitze des Unternehmens, die von „oben“ die Kultur der Organisation vorleben und damit maßgeblich bestimmen.

» Lesen Sie auch: Hochkarätiges Frauennetzwerk will Einfluss erhöhen – und holt auch Männer an Bord

Eine Gesprächspartnerin in unserer Studie drückte es so aus: „Der Grundfehler ist, dass wir alles an der Blaupause Mann messen. An einem männlichen CEO.“ Um dieses Mindset aus den Köpfen zu bekommen, muss der Kulturwandel bei den Personen in den Führungsgremien der Organisationen beginnen.

Es sind die einzelnen Mitglieder von Vorständen und Aufsichtsräten, die den Perspektivenwechsel viel stärker vorantreiben und gestalten könnten – nicht um „Frauen zu fördern“, sondern um das Performance-Potenzial von Vielfalt zu nutzen.

Wenn Frauen in ein bisher eher homogenes, männlich dominiertes Führungsgremium eintreten, verändert sich die Gruppendynamik. Als neue Vorstandsmitglieder bringen sie neue Expertise, andere Denkansätze und Sichtweisen und eine unterschiedliche Art der Kommunikation mit. Diese neuen Ansätze bleiben oft ungenutzt.

Die eigentliche Führungsaufgabe besteht darin, die unterschiedlichen Persönlichkeiten zu stärken

Es ist nicht nur Führungsaufgabe, Teams mit diversen Managerinnen und Managern zu besetzen. Die eigentliche und innere Führungsaufgabe besteht darin, die unterschiedlichen Profile und Persönlichkeiten zu stärken, ihnen Raum zu geben – und vorhandene Perspektiven mit neuen zu verbinden. Genau hier hakt es oftmals.

Wenn man Unternehmen betrachtet, die einen Kulturwandel in ihren Führungsgremien vorantreiben, wird schnell klar, dass die eigentliche Erfolgsformel für mehr Vielfalt an der Spitze bei der Führungspersönlichkeit selbst beginnt: Wie nehme ich mein Gegenüber wahr? Wie reagiere ich, wenn jemand eine ganz andere Perspektive vorträgt? Bin ich genervt – oder werde ich neugierig, was dahintersteckt und stelle Fragen?

CEOs und auch Aufsichtsratsvorsitzende müssen ihre Führungsgremien stärker in die Pflicht nehmen und können die Verantwortung nicht länger auf andere abwälzen – etwa auf die Personalabteilung. Nur dann wird ihr diverses Vorstandsteam erfolgreich sein.

Diese verschiedenen Haltungen sind von tiefsitzenden Glaubenssätzen geprägt: Kann nur ich, egal ob Frau oder Mann, die Komplexität, in der wir uns befinden, bewältigen, oder ist eher das Team in der Lage, die beste Antwort zu gestalten? Gelebte Vielfalt hat weniger mit Besetzungen zu tun als vielmehr mit einer Horizonterweiterung, durch die sich alle daran beteiligten Führungskräfte nach und nach verändern. Das ist eine Realität, die in vielen deutschen Unternehmen noch keine Rolle spielt.

Wir können also feststellen: Es fehlt nicht an Entwicklungsprogrammen oder Handlungsempfehlungen, sondern an einem tiefgreifenden Kulturwandel. Alle Teammitglieder sind gefordert – nicht nur „die Neue“ im Vorstand. Das bestehende Vorstandsteam muss tiefsitzende eigene Überzeugungen erkennen, um dadurch Stereotype überwinden und andere Verhaltens- und Kommunikationsmuster erlernen zu können.

Verwandte Themen Deutschland Berlin Dax Aufsichtsräte Diversity

CEOs und auch Aufsichtsratsvorsitzende spielen bei diesem Veränderungsprozess eine besonders wichtige Rolle. Sie haben großen Anteil daran, den Wandel hin zu einer inklusiven Kultur nicht nur einzufordern, sondern auch vorzuleben. Sie müssen ihre Führungsgremien stärker in die Pflicht nehmen und können die Verantwortung nicht länger auf andere abwälzen – etwa auf die Personalabteilung. Nur dann wird ihr diverses Vorstandsteam erfolgreich sein. Und nur dann wird Deutschland beim Frauenanteil in Führungsetagen endlich nachhaltig aufholen.

Die Autorinnen:
Eva Christiansen ist Partnerin bei der Kommunikationsberatung FGS Global in Berlin.
Lena Kilee ist Partnerin bei der Leadership-Advisory-and-Executive-Search-Beratung Egon Zehnder in Berlin.

Mehr: Diese 16 Vorständinnen arbeiten an der Zukunft der deutschen Wirtschaft

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