Gastkommentar: „Ein Verbot, Mietwohnungen in Eigentum umzuwandeln, wäre ein wirksames Mittel, um Mieter zu schützen“

Der Autor ist Bundesfinanzminister. Sie erreichen ihn unter:gastautor@handelsblatt.com.
Wohnen ist zur zentralen Frage unserer Zeit geworden. Es ist ein soziales Recht – ein solches Recht muss aber auch allen Bürgerinnen und Bürgern garantiert werden. Das ist gegenwärtig nicht der Fall.
Die Lage auf dem Wohnungsmarkt hat sich in vielen Regionen Deutschlands verschlechtert, vor allem in Großstädten und Universitätsstädten ist bezahlbarer Wohnraum knapp. Das gilt für Eigentumswohnungen und Mietwohnungen gleichermaßen. Und die Wohnungen, die verfügbar sind, sind für viele oft unerschwinglich. In Neubauten oder nach aufwendigen Modernisierungen steigen die Mieten oft stark.
Die Bundesregierung trifft sich heute mit den Ländern, den Spitzenvertretern von Städten und Gemeinden sowie den Verbänden der Miet-, Bau- und Wohnungswirtschaft in Berlin, um genau dieses Thema zu besprechen und Lösungen zu verabreden. Denn allen ist klar, dass wir große Anstrengungen brauchen, um die Versäumnisse der vergangenen Jahre und Jahrzehnte beim Wohnungsbau aufzuarbeiten.
Wir brauchen deutlich mehr Wohnungen in Deutschland. Nach der Meinung von Fachleuten sind pro Jahr 400.000 Neubauten nötig. Eine stolze Zahl. In meiner Zeit als Hamburger Bürgermeister ist es mit einer konzertierten Aktion zuletzt gelungen, pro Jahr den Bau von mehr als 10.000 neuen Wohnungen zu genehmigen.
Je ein Drittel als sozial geförderter Wohnraum, als Mietwohnungen und als Eigentumswohnungen. Solche Anstrengungen sind jetzt bundesweit nötig, denn klar ist: Nur ein größeres Angebot auf dem Wohnungsmarkt wird die Problematik explodierender Mieten auf Dauer beseitigen.
Zu den Schritten, die wir in der Regierung gehen werden, gehören das Baukindergeld und die zusätzlichen steuerlichen Abschreibungsmöglichkeiten für den Neubau. Der Bund fördert den sozialen Wohnungsbau mit zusätzlichen 2,5 Milliarden Euro in den nächsten drei Jahren. Damit wir das auch in den 2020er-Jahren weiterhin tun können, haben wir eine Änderung des Grundgesetzes in die Wege geleitet.
Viele Baufirmen sind komplett ausgelastet
Diese Schritte werden aber nicht ausreichen, um alle Engpässe zu überwinden. Einer ergibt sich daraus, dass wir über zu wenig ausgewiesenes Bauland verfügen. Bestehende Flächen können bisher oft nicht bebaut werden, weil die Eigentümer kein Interesse daran haben, dass dort Wohnungen entstehen – sie hoffen auf weiter steigende Preise. Oder weil ein alter Bebauungsplan dem entgegensteht, der erst zeitaufwendig geändert werden muss. Hier müssen wir schneller werden.
Wir sollten Verfahren überdenken und beschleunigen und mehr Personal einstellen. Eine Änderung eines bestehenden Bebauungsplans sollte nicht eine Frage von Jahren sein, sondern von Monaten. Der Bund wird überdies geeignete Flächen, die in seinem Besitz sind, vergünstigt an Städte und Gemeinden abgeben, damit dort bezahlbarer Wohnraum entstehen kann.
Auch die Bauindustrie ist gefordert. Viele Baufirmen sind komplett ausgelastet. Wer bauen will, muss lange warten. Der Bauboom ist aber kein kurzfristiger Hype. Deshalb brauchen wir mehr Investitionen, um die Kapazitäten auszuweiten. Die Bauindustrie muss mehr Nachwuchs ausbilden, mehr Facharbeiter anstellen.
Außerdem sollte die Industrie stärker die Möglichkeiten des modularen oder seriellen Bauens nutzen, um die Genehmigungsprozeduren zu erleichtern. Damit gelingt das Bauen nicht nur schneller, sondern wird auch günstiger.
Der Bau neuer Wohnungen ist die Antwort auf die steigenden Mieten. Natürlich brauchen wir heute kurzfristig wirksame Schritte, damit sich etwa junge Familien die Mieten noch leisten können. Das Mietrecht hilft künftig auch gegen unangemessene Mietsteigerungen bei Neuvermietungen oder Modernisierungen.
Ein Verbot, Mietwohnungen in Eigentum umzuwandeln, wäre ein noch wirksameres Mittel, um Mieter zu schützen – das lenkt auch Geld von Investoren in den nötigen Neubau, statt Spekulationen mit Bestandsbauten zu befördern. Der Missbrauch bei den Eigenbedarfskündigungen sollte eingeschränkt werden.



Für die Mietspiegel, die den Mietenanstieg begrenzen sollen, wollen wir den Betrachtungszeitraum für die Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete auf sechs Jahre erhöhen. Dann schlagen die aktuellen enormen Mietsteigerungen nicht so stark auf das Mietniveau durch. Das Wohngeld sollten wir ebenfalls erhöhen.
Wohnen ist eine zentrale soziale Frage des 21. Jahrhunderts, auf die wir eine Antwort geben müssen. Die ersten Schritte hin zu dieser Antwort wollen wir jetzt gehen, doch es müssen noch weitere folgen.





