Gastkommentar: Europa darf sich nicht auf seiner wirtschaftlichen Macht ausruhen
Gerd Müller ist Bundesentwicklungsminister und Manfred Weber Vorsitzender der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament.
Foto: dpa, imago, Montage HandelsblattBrüssel. Die Beschlüsse des Europäischen Rates vom 21. Juli sind ein starkes Signal nach innen: Europa ist handlungsfähig und solidarisch. Die EU hält bei der Bewältigung der durch Corona ausgelösten Krise zusammen. Ein ebenso starkes Zeichen muss Europa nun nach außen senden: Die veränderte weltpolitische Lage erfordert ein geeintes Europa in der Welt. Die EU muss ihre Rolle in einer zunehmend turbulenten Welt behaupten und ausbauen.
Gerade jetzt verschieben sich langfristig Macht- und Einflussbereiche. Die Kriege und Krisen in Syrien, Libyen und die Herausforderungen auf dem afrikanischen Kontinent sind nur mit einem Europa zu lösen, das sich auf eine gemeinsame Strategie verständigt. Europa darf sich nicht auf seiner wirtschaftlichen Macht ausruhen, sondern muss geopolitische Verantwortung übernehmen – und das prioritär in der Nachbarschafts- und Afrikapolitik.
Im globalen Spiel der Kräfte haben selbst die großen EU-Mitgliedstaaten allein zu wenig Gewicht. Die EU muss deshalb ihre Institutionen und Finanzen darauf ausrichten, europäische Interessen und Werte in der Welt durchzusetzen. Mit den derzeit vorgesehenen weniger als zehn Prozent Haushaltsmitteln für ihr „Außenhandeln“ versagt sich Europa diese Handlungsfähigkeit aber selbst: Eine europäische Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspartnerschaft mit funktionierenden Instrumenten der Konfliktbewältigung lässt sich aus diesem Haushaltsansatz genauso wenig gestalten, wie eine Gemeinschaft, die in wirtschaftliche und technologische Zusammenarbeit und internationalen Klimaschutz investiert. Hier muss der Entwurf des Europäischen Rates deutlich nachgebessert werden.