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GastkommentarFrüher exportierte Deutschland Technik, heute Werte und Moral

Deutschland war mal Fußball- und Exportweltmeister. Heute darf es selbst bei Bundesjugendspielen kaum mehr um Leistung gehen, kritisieren Katrin Suder und Josef Brunner.Katrin Suder und Josef Brunner 14.08.2023 - 12:49 Uhr Artikel anhören

Katrin Suder ist Aufsichtsrätin und Senior Advisor. Josef Brunner ist Unternehmer und Investor.

Foto: Handelsblatt

Die Kultusministerkonferenz hat entschieden: Im kommenden Schuljahr sind die Bundesjugendspiele der Grundschule kein Wettkampf mehr. Statt „Leistungsorientierung“ rückt die „Bewegungsorientierung“ in den Vordergrund. Das ist sympathisch, aber auch symptomatisch. Die Freude an Leistung und Wettbewerb wird Schritt für Schritt heruntergedimmt, aus dem kindlichen Spiel und dem gesellschaftlichen Leben.

Der gesellschaftliche Kompass wird auf Maß und Mitte kalibriert. Und das bleibt nicht ohne Wirkung. Einst war Deutschland Fußball- und Exportweltmeister, hat das Wirtschaftswunder vollbracht und mehr Weltmarktführer als jede andere Nation. Von den 3400 Hidden Champions in aller Welt kommen 1573 aus Deutschland. Alle anderen Nationen sind weit abgeschlagen – USA, China und auch Great Britain, die 74 Weltmarktführer hervorgebracht haben.

Heute wirkt Deutschland in vielerlei Hinsicht mut- und kraftlos. Einst die große Wirtschaftslokomotive Europas, ist Deutschland nun Tabellenletzter in der Disziplin Wirtschaftswachstum, die Rezession immer in Sichtweite. Das Land der Erfinder und Unternehmerinnen ist zum Hauptwohnsitz der Verteilerinnen und Bewahrer geworden. Ein Land, das nichts mehr will. Vielleicht doch – Werte und Moral exportieren.

Und ausgerechnet jetzt stehen wir vor gewaltigen Aufgaben. Das Erfolgsrezept von operativer Optimierung und evolutionärer Weiterentwicklung funktioniert nicht mehr. Unternehmen und ganze Industrien müssen sich neu erfinden. Vermutlich bleibt kein Stein auf dem anderen. Die Zeiten werden risikoreicher und unkalkulierbar. Die Entscheider gehen vorsichtshalber vom Gas und fahren auf Sicht. In der Politik und der Wirtschaft.

Heute ist das Managen von Zahlen die Kernaufgabe. Was nicht passt, wird passend gerechnet. Zur Not erfindet der Finanzminister eine neue Schublade namens Sondervermögen. Der Ideenreichtum ist aus der Produktentwicklung in die Finanzbuchhaltung gewechselt. Man kann sich die Zukunft schönrechnen.

Unternehmen managen zu viel

Die Unternehmensbilanzen kalkulieren den Goodwill routiniert als feste Größe mit ein. Allein für die Dax-Konzerne schlagen so weit über 300 Milliarden Euro als Variable zu Buche. Beruhigungspille statt Gestaltungswille. Doch der macht den Unterschied. Wirtschaft fängt mit Wollen an. Damit hat eine Person, Elon Musk, die gesamte deutsche Automobilindustrie links und rechts überholt. Damit ist ein Unternehmen, Apple, wertvoller als der gesamte Dax zusammen.

Wir managen zu viel und wollen zu wenig. In allen Bereichen. Das ist ein Problem. Die Unternehmen nehmen es hin, lassen sich nicht verrückt machen und arbeiten ruhig und konzentriert weiter. Wenn sie denn genug Arbeitskräfte haben, die zurück ins Büro kommen, oder Talente sich auf die offenen Stellen bewerben. Und wenn der Wettbewerb und der Sprung in die Zukunft zu groß werden, lässt sich das Unternehmen immer noch verkaufen.

In Coronazeiten haben wir am eigenen Leib gespürt, was möglich ist, wenn Wollen und Machen Hand in Hand gehen. Ein Impfstoff, der in Deutschland entwickelt wurde, hat vermutlich unzählige Menschenleben gerettet und wirtschaftlichen Wohlstand gebracht, für die Anteilseigener, die Mitarbeiter, die Stadt Mainz und unser Land. Den globalen Reputationsgewinn nicht mit eingerechnet.

Einst die große Wirtschaftslokomotive Europas, ist Deutschland nun Tabellenletzter in der Disziplin Wirtschaftswachstum, die Rezession immer in Sichtweite.

Foto: dpa

Erfolgsentscheidend war nicht, dass wir hier in Deutschland Masken getragen und die Parkbänke gesperrt haben. Es war der Wille zur Höchstleistung und Wettbewerb gegen das Virus und auch dafür, wer die beste Lösung entwickelt. Das ist und bleibt die Botschaft.

Ein Mensch oder in diesem Fall ein Ehepaar kann den Unterschied machen. Auch Wirtschaftswunder beginnen mit Wollen. Unternehmergeist und Gestaltungswille scheinen in den Mühlen der Bürokratie, der internen Beharrungskräfte und der öffentlichen Aufschreie zerrieben. Wir müssen das Wort „managen“ wieder durch machen und die Wiedervorlagemappe durch die Lust auf Veränderung und Erfolg ersetzen.

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Mit der dezentralen, diversen Struktur unseres Landes, der technologischen und industriellen Stärke und den Tausenden etablierten Familienunternehmerinnen und der kommenden Generation, die nun das Ruder übernimmt, können wir mehr bewegen als viele andere Länder. Wir müssen es nur wollen.

Das deutsche Biotechnologie-Unternehmen Biontech hat durch die Entwicklung eines Corona-Impfstoffs auch wirtschaftlichen Wohlstand erzielt.

Foto: dpa

Jede und jeder Einzelne. Und wir zuallererst. Dabei ist es uns wichtig, nicht nur auf die Missstände hinzuweisen, sondern uns aktiv zu engagieren. Wir alle haben uns zu sehr an ein System gewöhnt, in dem alle Beteiligten – Politik, Wirtschaft und Gesellschaft – jeweils auf die beiden anderen schimpfen.

Wenn wir aber in die nächste gesellschaftliche Systemgeneration kommen wollen und unseren Lebensstandard und den Einfluss, den wir in der Welt noch genießen, beibehalten wollen, müssen wir endlich unsere Kräfte bündeln. Gesellschaft, Wirtschaft und Politik müssen gemeinsam ihre Liebe für die Zukunft entdecken und endlich aufhören, nur darüber zu reden, sondern den Wandel überall und vor allem gemeinsam umsetzen für ein Land, das auch für die Zukunft gut aufgestellt ist.

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Die Autoren: Katrin Suder ist Aufsichtsrätin und Senior Advisor. Josef Brunner Ist Unternehmer und Investor.

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