Kommentar: Große Firmen nutzen ihre Marktmacht schamlos aus


In der Krise beweist sich der Charakter. Das zeigt sich vor allem an der Zahlungsmoral der deutschen Wirtschaft. Durch die Rezession geraten immer mehr Unternehmen in Liquiditätsnöte – und zahlen ihre Rechnungen verspätet. Das zeigt eine Analyse der Wirtschaftsauskunftei Crif. Im ersten Halbjahr 2025 gehörten knapp zwölf Prozent zu den „Zuspätzahlern“, im Vorjahreszeitraum waren es erst acht Prozent.
Lieferanten und Dienstleister warten im Schnitt mehr als 50 Tage, bis ihre Rechnungen beglichen werden. Diese sind knapp 20 Tage überfällig. Es sind insbesondere die großen Unternehmen, die in wirtschaftlich schlechten Zeiten ihre wachsende Marktmacht schamlos ausnutzen. Sie schonen die eigene Liquidität auf Kosten ihrer Lieferanten und Dienstleister. Geld stiehlt eben Charakter.
Jede vierte Insolvenz in der EU durch verspätete Begleichung von Rechnungen
Leidtragende sind vor allem kleine und mittelständische Unternehmen, vom Handwerker bis zum kleinen Zulieferer. Sie werden unfreiwillig zu Kreditgebern ihrer Kunden.
Kleine und mittlere Unternehmen sind im Dilemma: Einerseits wollen sie ihre Kunden mit Mahnungen oder gar Inkassoforderungen nicht verprellen, schon gar nicht in der Rezession. So räumen Lieferanten ihren Kunden aus Kulanz immer längere Zahlungsziele ein.
Andererseits benötigen sie dringend Geldzuflüsse, nicht nur, um ihre Ausgaben zu begleichen. Werden Rechnungen verspätet gezahlt, fehlen Betrieben die nötigen Mittel für Investitionen und Innovationen. Unternehmen, die zu spät zahlen, setzen also eine Negativspirale in der gesamten Volkswirtschaft in Gang. Immerhin jede vierte Insolvenz in der Europäischen Union ist auf zu spät bezahlte Rechnungen zurückzuführen.
Unternehmen, gerade die größeren, sind in der Rezession mehr als sonst in der Verantwortung, ihre Rechnungen pünktlich zu zahlen. Ansonsten schaden sie sich letztlich nur selbst.
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