Gastkommentar: Müssen kleinere Länder sich zwischen Peking und Washington entscheiden?

Renate Schubert ist Professorin für Nationalökonomie an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich und am Singapore ETH-Centre.
Lange Zeit waren die Fronten klar: hier Amerika, dort Russland – und etliche Länder irgendwo dazwischen. Manche, wie Singapur oder die Schweiz, verstanden sich als „neutrale Staaten“, die in Konflikten sogar vermitteln konnten. Dann überholte China Russland wirtschaftlich und geopolitisch. Inzwischen hat der Machtkampf zwischen Washington und Peking so viel Fahrt aufgenommen, dass vor allem kleinere Länder kaum mehr wissen, wo ihnen der Kopf steht.
Die Frage stellt sich, ob es künftig überhaupt noch neutrale Länder geben kann oder ob diese angesichts verschärfter geopolitischer Rivalität eindeutig Farbe bekennen müssen – für die USA oder für China, dessen Kommunistische Partei an diesem Donnerstag ihre Gründung vor 100 Jahren feiert.
Der Druck, das eine oder das andere Lager zu unterstützen, wächst. Daran hat der Übergang der US-Präsidentschaft von Donald Trump zu Joe Biden nichts geändert.
Das zeigt die Kontroverse über den Bericht der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu den Ursprüngen der Covid-19-Pandemie. Washington kritisiert den Ende April vorgelegten Bericht als einseitig und fordert weitere unabhängige Untersuchungen zu der Frage, ob das Virus nicht doch aus einem Labor in Wuhan stammen könne.





