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GastkommentarWarum China bei Künstlicher Intelligenz so schnell aufholt

Der Erfolg von Deepseek war kein Zufall. Peking setzt auf gezielte Datennutzung und Skalierung. Das beschleunigt Innovationen vor allem in zwei Branchen, meint Renata Thiébaut. 12.05.2025 - 19:40 Uhr Artikel anhören
Die Autorin Renata Thiébaut ist Professorin für Marketing an der Gisma University of Applied Science. Foto: picture alliance / Xinhua News Agency

In der globalen Technologiewelt ist ein leiser, aber tiefgreifender Wandel im Gange. Während der Westen noch über ethische Leitplanken und regulatorische Rahmenbedingungen für Künstliche Intelligenz debattiert, setzt China längst auf Umsetzung – schnell, großflächig und strategisch.

Das Beispiel der chinesischen KI-Plattform Deepseek zeigt, wie der gezielte Umgang mit Daten und regulatorischer Geschwindigkeit China einen globalen Wettbewerbsvorteil verschafft, besonders in der Biotechnologie und im Gesundheitswesen.

Chinas Strategie basiert auf einem zentralen Vorteil: dem Zugriff auf riesige Datenmengen, vor allem im Bereich der Genetik. Während westliche Länder mit hohen Hürden im Datenschutz und ethischen Vorgaben arbeiten, agiert China innerhalb eines staatlich gelenkten Rahmens, der die Nutzung sensibler Daten zur wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Priorität erklärt.

So erlaubt die 2023 aktualisierte Human Genetic Resources Regulation eine gezielte Nutzung genetischer und gesundheitsbezogener Daten – allerdings unter staatlicher Kontrolle. Diese Rahmenbedingungen ermöglichen schnellere klinische Studien, effizientere Wirkstoffentwicklung und letztlich einen beschleunigten Innovationszyklus.

Bereits Anfang 2025 wurden in China eine Stammzelltherapie zur Behandlung von Komplikationen bei Knochenmarktransplantationen sowie ein neuartiges HIV-Medikament zugelassen, während vergleichbare Entwicklungen im Westen noch Jahre entfernt scheinen.

Auch in der Standardisierung setzt China Maßstäbe: Mit ISO 8472-1 wurde erstmals ein internationaler Standard für Stammzelldaten etabliert – ein Signal für Chinas Ambitionen, auch normativ den Takt vorzugeben.

Praxiseinsatz statt Grundlagenforschung

Neben dem strategischen Datenzugriff spielt die operative Geschwindigkeit eine Schlüsselrolle. China hat es geschafft, Forschung, Regulierung und Markteinführung in einem eng getakteten Ökosystem zu verzahnen.

Während in den USA der Fokus nach wie vor auf Grundlagenforschung liegt, punktet China mit Umsetzungskompetenz. Deepseek ist dafür das wohl eindrucksvollste Beispiel: Innerhalb kürzester Zeit hat sich die Plattform tief in das chinesische Gesundheitssystem integriert.

Krankenhäuser, Versicherer und Apotheken setzen auf generative KI, um Prozesse zu verschlanken, etwa in der Patientenkommunikation oder der automatisierten Dokumentation. Am Second Affiliated Hospital der Medizinischen Universität Fujian hat der Einsatz von Deepseek die Zahl repetitiver Aufgaben deutlich reduziert, indem das System die elektronische Patientenakte unterstützte, etwa durch die automatische Zusammenfassung von Patientendaten oder Hilfe bei der medizinischen Dokumentation.

Halbleiter

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Dieser Fortschritt wird von massiven Investitionen flankiert: Allein 2023 flossen über 15 Milliarden US-Dollar – eine Mischung aus öffentlichen Fördermitteln und privatem Kapital – in die biopharmazeutische Forschung. Gleichzeitig lockert China regulatorische Hürden für ausländische Investoren, in ausgewählten Regionen dürfen nun sogar vollständig ausländisch betriebene Krankenhäuser entstehen.

Die öffentlichen Gesundheitsausgaben in China werden Prognosen zufolge auf rund 2,5 Billionen US-Dollar (2,23 Billionen Euro) im Jahr 2035 steigen. Das ist ein deutlicher Anstieg gegenüber den rund 485,17 Milliarden Euro im Jahr 2014 – und unterstreichen damit das rasante Wachstum eines politisch stark geförderten Marktes.

Skalierung statt Perfektion

Der Wettlauf um technologische Vorherrschaft in der KI wird nicht mehr nur im Labor entschieden. Was zählt, ist die Fähigkeit, neue Erkenntnisse schnell in skalierbare Anwendungen zu überführen. Genau hier liegt Chinas aktueller Vorteil.

Während Europa und die USA sich mit Datenschutzdebatten und Förderprogrammen abmühen, nutzt China seine zentralisierte Steuerung, um Tempo aufzunehmen – nicht selten auch auf Kosten westlicher Werte.

Für Europa stellt sich nun die Frage: Will man die Rolle eines ethischen Beobachters einnehmen oder gelingt es, eigene Innovationsmodelle zu entwickeln, die sowohl Tempo als auch Verantwortung miteinander vereinen?

Wenn der Westen in dem wohl wichtigsten Zukunftsmarkt – der Künstlichen Intelligenz – nicht den Anschluss verlieren will, muss er die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft, Privatwirtschaft und Staat deutlich stärken.

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Erforderlich sind gezielte Innovationsprogramme, die sich auf strategisch relevante Sektoren konzentrieren und dabei sowohl Schnelligkeit als auch verantwortungsvolles Handeln ermöglichen. Nur mit einem solchen Ansatz kann der Westen im globalen Wettlauf um die Führungsrolle in der KI wettbewerbsfähig bleiben.

Die Autorin: Renata Thiébaut ist Professorin für Marketing an der Gisma University of Applied Science. Die Expertin für E-Commerce, digitales Marketing und Digitalisierung hat in China studiert und anschließend unter anderem für Alibaba gearbeitet.

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