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GastkommentarWarum Corona-Bonds Europa schaden

Die südlichen EU-Länder fordern in der Coronakrise die Einführung von gemeinsamen Anleihen. Diese führen aber jenseits der Epidemie zu unsolidem Wirtschaften.Jörg Krämer 06.04.2020 - 09:07 Uhr

Die Befürworter von Corona-Bonds halten eine Vergemeinschaftung der Schulden für notwendig, weil hoch verschuldete Staaten ansonsten den Zugang zum Kapitalmarkt verlören.

Foto: dpa

Auf dem morgigen Treffen der Euro-Finanzminister werden die südlichen Länder wieder Corona-Bonds fordern. Auch wenn sie als Kompromiss Hilfen des ESM-Rettungsfonds akzeptieren dürften, werden sie an ihrer Forderung nach gemeinsam aufgenommenen Schulden festhalten – zumal sie von der EZB-Präsidentin und sogar Chefs deutscher Wirtschaftsforschungsinstitute unterstützt werden.

Die südlichen Länder und Frankreich wollen, dass einzelne Mitgliedsländer nicht mehr nur für ihre eigenen Schulden haften, sondern für die gesamten gemeinsam aufgenommenen Schulden. Es geht um gesamtschuldnerische Haftung, eine Vergemeinschaftung der Staatsschulden.

Mit Corona-Bonds sollen zwar nur ausnahmsweise gemeinsam Mittel aufgenommen werden, um den Mitgliedsländern der Währungsunion im Kampf gegen das schreckliche Virus zu helfen. Aber einmal eingeführt, drohen diese Anleihen zur Dauereinrichtung zu werden.

Es wird in der Währungsunion immer Probleme geben, die sich angeblich nur mit gemeinsamen Schulden lösen lassen. Man denke an die in vielen Ländern hohe Arbeitslosigkeit, an den Klimawandel und so fort. Letztlich sind die nun geforderten Corona-Bonds eine Neuauflage von Euro-Bonds, die im Zusammenhang mit diesen Problemen immer wieder gefordert worden sind.

Jörg Krämer ist Chefvolkswirt der Commerzbank.

Foto: Commerzbank

Dass Ausnahmen schnell zur Regel werden, zeigt auch die Erfahrung mit bisherigen Hilfsmaßnahmen. So hat sich die EZB im Frühjahr 2010 zum Kauf von Staatsanleihen drängen lassen, weil ihr die Staats- und Regierungschefs versprochen hatten, sie bei den Käufen im Herbst abzulösen. Dazu ist es bekanntlich nie gekommen; stattdessen sind die EZB-Anleihekäufe zum Dauerzustand geworden.

Italien hat kein Problem, eigene Anleihen zu platzieren

Die Befürworter von Corona-Bonds halten eine Vergemeinschaftung der Schulden für notwendig, weil hoch verschuldete Staaten ansonsten den Zugang zum Kapitalmarkt verlören. Aber Italien hat kein Problem, eigene Anleihen zu platzieren. Die Renditen italienischer Anleihen sind nach wie vor niedrig.

Denn die Europäische Zentralbank (EZB) kauft seit Jahren auf breiter Front Staatsanleihen und hat das Volumen solcher Käufe zuletzt noch einmal um gigantische 750 Milliarden Euro ausgeweitet. Außerdem hat sie 2012 auf dem Höhepunkt der Staatsschuldenkrise in Aussicht gestellt, im Fall der Fälle unbegrenzt Anleihen von in Not geratenen Mitgliedsländern zu kaufen, für die letztlich alle Anteilseigner der EZB haften würden.

Diese implizite Vergemeinschaftung von Schulden durch die EZB sichert hochverschuldeten Ländern auch ohne Corona-Bonds den Zugang zum Anleihemarkt. Auf diesem Wege erfahren diese Länder sehr viel der Solidarität, die die Befürworter der Corona-Bonds einfordern.

Aber die Pandemie sollte nicht als Vehikel genutzt werden, um die explizite Vergemeinschaftung der Schulden zu forcieren. Gemeinsame Anleihen schaffen nämlich jenseits der Corona-Epidemie Anreize zu unsolidem Wirtschaften. Sie verführen Länder zu kostspieligen finanziellen Entscheidungen, weil sie die Konsequenzen in Form einer schlechteren Bonität nicht mehr alleine tragen müssen.

Umgekehrt kommen sie nicht mehr alleine in den Genuss einer häufig zunächst schmerzvollen Reformpolitik. Dieses Anreizproblem gibt es zwar grundsätzlich auch in Deutschland, wenn man an die faktische Garantie des Bundes für die Bundesländer denkt.

Brüssel kann nationale Wirtschaftspolitik kaum beeinflussen

Aber der Bund regelt wichtige Bereiche wie die Arbeitsmarkt-, Sozial- und Steuerpolitik größtenteils selbst und kann damit verhindern, dass die Länder auf Kosten des Bundes über die Stränge schlagen. Das gilt leider nicht für die Währungsunion; Brüssel kann die nationale Wirtschafts- und Haushaltspolitik kaum beeinflussen – zumal dem Stabilitätspakt die letzten verbliebenen Zähne gezogen wurden.

Diese Anreizprobleme werden von einigen Befürwortern von Corona-Bonds durchaus gesehen. Allerdings wollen sie diese in Kauf nehmen, um den Zusammenhalt in der Währungsunion zu stärken. Dies könnte sich allerdings als Trugschluss erweisen. Gemeinsame Kassen führen nämlich schnell zu Unfrieden.

Jedes Mal, wenn sich ein hoch verschuldetes Land eine große Infrastrukturinvestition oder eine soziale Wohltat gönnte, würden die Populisten in den wirtschaftlich stärkeren Ländern ihren Bürgern aufs Brot schmieren, dass in Wahrheit sie die Rechnung zahlen. Das wird bei vielen Menschen verfangen, die sich zuerst als Bürger ihres eigenen Landes und erst dann als Europäer begreifen.

Letztlich funktionieren gemeinsame Anleihen nicht, weil die Europäische Währungsunion kein Staat ist, der das Finanzgebaren seiner Gebietskörperschaften hinreichend kontrollieren kann und ein eigenes Staatsvolk besitzt. Das kann man bedauern, aber nicht auf die Schnelle ändern.

Versucht man es durch Corona-Bonds zu erzwingen, steigen nur die Staatsschulden und die Ressentiments gegen die Währungsunion. Gemeinsame Anleihen schaden der europäischen Idee und destabilisieren auf Dauer die Währungsunion.

Mehr: Finanzminister Olaf Scholz will Forderungen nach gemeinsamen Schulden mit einem europäischen Rettungsschirm abwehren. Er setzt stattdessen auf ESM-Kredite.

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