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LernenWarum wir einen Bildungs-Pakt zwischen Staat und Wirtschaft brauchen

Die Ausbildungsprogramme an Unis und Schulen sind weit von dem entfernt, was Unternehmen in den kommenden Jahren an Qualifikationen benötigen, meint Belén Garijo. 10.10.2024 - 17:00 Uhr Artikel anhören
Belén Garijo ist Vorsitzende der Geschäftsleitung des Chemie- und Pharmakonzerns Merck KGaA. Foto: Skizzomat, Getty Images

Darmstadt. Für mich und für unser Unternehmen sind Lernen und Bildung die entscheidenden Faktoren, mit denen wir unsere Zukunft sichern. Ich sage immer, dass es keinen Plan für das Geschäft ohne einen Plan für die Menschen gibt. Das muss auch für Gesellschaft und Wirtschaft in Deutschland insgesamt so gelten.

Aber handeln wir auch mit aller Kraft nach dieser Überzeugung? Beim Blick auf unser Bildungssystem kommen mir da Zweifel. Ich bin überzeugt: Wir brauchen einen neuen Bildungs-Masterplan, mit dem wir dem tiefgreifenden Umbruch der Arbeitswelt begegnen.

>> Dieser Gastkommentar ist ein Beitrag zur großen Handelsblatt-Aktion „Zukunftsplan Deutschland“. Alle Texte finden Sie hier.

Schon 2027 werden sich circa 20 Prozent der Jobs in Deutschland grundlegend verändert haben, was Anforderungen etwa im Umgang mit Künstlicher Intelligenz (KI) und Data Science angeht. Global werden es noch mehr sein. Die weitere Entwicklung dürfte in Sprüngen erfolgen.

Bei Merck fragen wir uns regelmäßig: Welche Qualifikationen und Fähigkeiten werden für uns heute relevant – und morgen entscheidend für den Erfolg des Unternehmens sein? Wie wird sich unsere Belegschaft in den kommenden Jahren und Jahrzehnten verändern und verändern müssen?

Aus dieser Analyse entwickeln wir konkrete Lern- und Entwicklungsprogramme, etwa mithilfe unserer globalen, KI-gestützten Plattform „MyGrowth“.

Um unsere Beschäftigten für die Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung zu qualifizieren, haben wir bei Merck mehrere eigene Akademien und Programme geschaffen, in denen wir mit externen Spezialisten zusammenarbeiten.

Das Recruiting wird sich stark verändern müssen

Es geht aber nicht allein um Data Intelligence und andere digitale Tools. Für den Erfolg eines Unternehmens ist es entscheidend, dass es hervorragende Führungskräfte entwickeln kann. Was macht gute Führung in Zukunft aus, und welche Fähigkeiten werden dafür gebraucht? Auch hier analysieren wir, ob unsere Beschäftigten im Management dafür ausreichend qualifiziert sind und wo es Lücken gibt.

Die Fähigkeiten und Möglichkeiten zur Weiterbildung werden noch aus einem weiteren Grund zum zentralen Erfolgsfaktor für die Wirtschaft. Bisher haben Unternehmen stets um genug Talente und Wissenschaftler werben können, die schon über viele Jahre Praxiserfahrung verfügen. Doch davon wird es im Zuge von Fachkräftemangel und geburtenschwachen Jahrgängen künftig weitaus weniger geben.

Das Recruiting der Unternehmen wird sich deswegen stark verändern müssen. Es geht zum Beispiel auch darum, Potenzial und Talent bei jungen Menschen zu erkennen, die noch nie eine Festanstellung hatten. Man braucht ein starkes firmeninternes Bildungs- und Trainingsprogramm, damit sich diese jungen Menschen entwickeln können.

Genauso intensiv werden wir ältere Beschäftigte auf die technologischen Umbrüche vorbereiten müssen, für die sie neue Fähigkeiten brauchen. Dass sich ältere Beschäftigte gegen den Wandel stellen, kann ich bei Merck übrigens nicht feststellen. Im Gegenteil: Ich erkenne bei ihnen sehr viel Neugier und Willen, neue Technologien zu erlernen und in den Job zu integrieren. Mindset schlägt Generationenklischees.

Mit diesen Anstrengungen und Investitionen können Unternehmen in Sachen Bildung einen wichtigen Beitrag leisten. Das allein wird aber nicht ausreichen, um in Deutschland und Europa ein starkes Humankapital zu schaffen, das wir für nachhaltiges, innovationsgetriebenes Wirtschaftswachstum dringend brauchen. Unternehmen können nicht isoliert handeln. Wir brauchen einen gesellschaftlichen Pakt für Bildung – eine konzertierte Aktion von Staat, Wirtschaft und akademischen Institutionen.

Gezielte Bildungsstrategie

Alle Beteiligten sollten sich dabei eingestehen: Die Ausbildungsprogramme an Unis und Schulen sind noch weit von dem entfernt, was in den Unternehmen in den kommenden Jahren an Qualifikationen benötigt wird, insbesondere in den Bereichen Digitalisierung und speziell KI. Wir müssen beides viele enger aufeinander abstimmen. Dafür ist eine intensive Kooperation zwischen Unternehmen, öffentlicher Hand und Bildungsinstitutionen nötig.

Von vielen Seiten werden mehr staatliche Investitionen in den Bildungssektor gefordert. Keine Frage, Geld und Ressourcen sind wichtig. Zuallererst aber brauchen wir eine Strategie.

Deutschland und Europa müssen Bildung zum zentralen Element erklären, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. In welchen Bereichen wollen und können wir wirtschaftlich und technologisch stark sein? Welche Qualifikationen und Fähigkeiten brauchen wir dafür? Und wie müssen wir dazu gezielt die Investitionen steuern?

Ich bin überzeugt: Mit einer solchen zielorientierten Strategie für die kommende Dekade und mit mehr Kooperation können Deutschland und Europa in Schlüsseltechnologien wie der KI zu Gewinnern und Pionieren werden.

Verwandte Themen Deutschland Merck Europa Digitalisierung Wirtschaftspolitik Fachkräftemangel

Die konkreten Handlungsempfehlungen:

    Unternehmen sollten definieren, welche Fähigkeiten und Qualifikationen sie in den nächsten Jahren benötigen und ihre internen Trainings darauf ausrichten.Die Ausbildung an Schulen und Universitäten muss auch darauf ausgerichtet werden, was der Arbeitsmarkt im Wirtschafts- und Sozialbereich zukünftig benötigt.Unternehmen, Bildungseinrichtungen und Regierung müssen gemeinsame Qualifikationsziele definieren und bei der Umsetzung enger zusammenarbeiten.

Mehr: Schlechter als der Durchschnitt – Immer mehr junge Menschen ohne Ausbildung oder Abitur

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