Prüfers Kolumne: Mein Smartphone und ich lassen uns nicht in Ruhe

Tillmann Prüfer ist Mitglied der Chefredaktion des „Zeit-Magazins“.
Ich habe ein sehr gespaltenes Verhältnis zu meinem Smartphone. Einerseits verbringe ich den ganzen Tag mit dem Gerät. Meine Bildschirmzeit pro Tag ist zweistellig, ich kann also sagen, dass ich mehr Zeit mit meinem Smartphone verbringe als mit irgendetwas anderem.
Ich betone gern, dass ich ja mit dem Handy auch arbeite. Aber während des Wochenendes lege ich es leider auch nicht still. Wenn mein Smartphone außer Griffweite ist, werde ich nervös. Es könnte eine wichtige Nachricht geben, die ich nicht mitbekomme. Jemand könnte mich anmailen, anrufen, ansimsen.
Einfach alles kann passieren, wenn ich das Handy nicht in der Hand habe.
Andererseits hasse ich es auch, wenn dann etwas passiert. Mein Smartphone terrorisiert mich. Wenn es klingelt, bedeutet das oft Arbeit für mich.
Wenn es aber nicht klingelt, ist das ein noch schlechteres Zeichen. Dann braucht man mich nämlich nicht. Mit dem Smartphone habe ich mir also alles Negative des Lebens, den Stress, die ständigen Selbstvergleiche gewissermaßen in die Hosentasche geholt.
Ich glaube, den meisten Menschen geht es so wie mir. Doch die damit verbundenen Lebenslügen sind genauso groß wie die Abhängigkeit vom Smartphone selbst. Viele Leute behaupten, dass sie ihr Handy aus dem Schlafzimmer raushalten. Kaum jemand gibt freimütig zu, dass statt eines guten Buches ein Smartphone auf dem Nachttisch liegt. Niemand gibt gern zu, dass das Smartphone das Erste ist, was man morgens anfasst, und das Letzte ist, was man spätabends anschaut.
Schließlich hat man ja schon davon gehört, dass das Handy für schlechten Schlaf sorgt. Das blaue Display-Licht suggeriert angeblich dem Gehirn, es sei heller Tag, sodass es dann keine Schlafhormone ausschüttet.
Nun las ich in der „Süddeutschen Zeitung“ von einer Studie im „Journal of Sleep Research“, die zeigt, dass das alles gar nicht stimmt. Im Gegenteil, das Smartphone könne gut beruhigend am Abend wirken. Wenn es Teil eines Zubettgehrituals sei, ermögliche es dem Körper, sich zu beruhigen und besser zu schlafen.
Das Smartphone erzähle eine Gutenachtgeschichte. Das würde ich sehr gern glauben.
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Leider erzählt mein Smartphone mir aber auch die Geschichte, dass ich schon wieder vergessen habe, diese eine wichtige Mail zu schreiben, oder dass ich noch dies und das bei Amazon bestellen soll. Dann erzählt es mir im Nachrichtenüberblick noch ein paar Geschichten von Tod, Seuche und Verderben auf der Welt. Zum Einschlafen eben.




Ich weiß nicht, was andere Menschen für Smartphones haben, aber meines ist böse und fies. Und trotzdem nehme ich es mit ins Bett. So toxisch ist dieses Verhältnis, dass es eigentlich komisch ist, dass es noch keine verzweifelten Lovesongs über Smartphones gibt.
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