Prüfers Kolumne: Überperformer verzweifelt gesucht

Tillmann Prüfer ist Mitglied der Chefredaktion des „Zeit-Magazins“.
Ich habe in der „Süddeutschen Zeitung“ gelesen, dass es ein Problem mit den Millennials gibt. Die Millennials wurden zwischen 1981 und 1995 geboren und sind jetzt also zwischen 27 und 41 Jahren alt. Das soll die allerbeste Zeit für den beruflichen Aufstieg sein. Die Zeit, in der man 150 Prozent mehr arbeitet und dann irgendwann 5,5 Prozent mehr Gehalt bekommt.
Die Zeitung zitiert einen Personalberater: Man merke schon seit einigen Jahren, dass sich die jungen Menschen nicht mehr so stark für Führungspositionen interessierten. Aber langsam werde die Lage kritisch. Denn die Generation der sogenannten Boomer sei nun im Rentenalter und trete ab. Es müssten nun langsam Führungskräfte nachkommen, stattdessen arbeiten die Menschen aber lieber an ihrer Work-Life-Balance und trachten nach der Entfaltung ihre eigenen Persönlichkeit.
Dass ein Personalberater das sagt, hat mich etwas betroffen gemacht. Denn ich gehöre zu der Generation, die immer wieder gesagt bekam, dass gerade die Karriere die Entfaltung der eigenen Persönlichkeit bedeute.
Zumindest hieß Chefsein damals, dass man nach Herzenslust die Persönlichkeit anderer demolieren konnte. Ich selbst habe noch unter Chefs gearbeitet, die ungeliebten Mitarbeitern ungern Abfindungen zahlten, sondern sie lieber jeden Tag vor dem versammelten Team herunterputzten. Überhaupt war eine der Hauptmotivationen meiner Generation, nach Führungsposten zu streben: Wenn du nicht rechtzeitig eine bestimmte Position erreichst, wirst du von denen fertiggemacht, die in dir eine Altlast sehen und dich gegen einen arbeitswütigen Überperformer austauschen wollen.
Nun scheint das Problem zu sein, dass es diese scharfzahnigen Überperformer kaum noch gibt. Die neue Generation habe gemerkt, dass 70 Stunden Arbeit in der Woche gar nicht glücklich machen. Die Identifikation mit dem eigenen Unternehmen beträgt unter Millennials nur 53 Prozent. Für sie sei es normal, eher für die nächsten zwei bis drei Jahre zu planen, als sich in einem Unternehmen „hochzuarbeiten“.
Die aktuellen Führungskräfte müssen der jungen Generation anscheinend erst mal beweisen, dass Arbeit eben doch ganz schön ist. Und dann stellt sich die Frage, was an Führungsposten noch schöner sein sollte.
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Plötzlich muss man die ganze Verantwortung tragen, die andere nicht mehr haben wollen. Es ist ein bisschen so, wie bei der Elternsprecher-Wahl beim schulischen Elternabend: Irgendjemand muss den Job eben machen, fragt sich danach die ganze Zeit, warum er sich hat breitschlagen lassen – und fiebert der Nachfolger-Wahl im nächsten Schuljahr entgegen.
Bis aber eine nächste Karrieristen-Generation auftaucht, wird es länger als ein Jahr dauern. Bis dahin müssen alle Chefinnen und Chefs leider im Amt bleiben.
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