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Arbeitszeit40 Stunden Arbeit für alle heißt 80 Stunden Arbeit für Frauen

Wenn Unternehmen und Politiker die 40-Stunden-Woche für alle fordern, meinen sie eigentlich die Frauen. Und die haben meist schon einen unbezahlten Vollzeitjob, moniert Uta Meier-Gräwe.Uta Meier-Gräwe 14.06.2024 - 13:55 Uhr
Uta Meier-Gräwe war bis 2018 Inhaberin des Lehrstuhls für Wirtschaftslehre des Privathaushalts und Familienwissenschaft an der Justus-Liebig-Universität Gießen und Beraterin der Bundesregierung. Foto: Gleichstellungsbüro Freiburg

Frankfurt. Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger beklagte am Tag der Arbeit, dem 1. Mai dieses Jahres, dass Deutschland viel zu viel über die Bedingungen von Nicht-Arbeit diskutiere. Vernachlässigt würde dabei der Wert der Arbeit. Denn alle würden mehr und länger arbeiten müssen, um Deutschland als Standort wieder attraktiv zu machen und dadurch unseren Wohlstand zu sichern. Das sei nicht ohne Anstrengung zu haben.

Auch Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer ist der Ansicht, dass wir nicht genug arbeiten. Sein Vorschlag lautet: 40-Stunden-Woche für alle, um aus der Krise zu kommen. Ähnlich markige Aussagen sind vom CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz und vom CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann zu vernehmen.

Erinnern wir uns: Nach der deutschen Wiedervereinigung hatte vor allem die CDU die These ausgegeben, die ostdeutschen Frauen sollten ihre „überzogene“ Erwerbsneigung zurückschrauben. Sie sollten lernen, Mutter zu sein. Was nun folgt, ist die komplette Kehrtwende – wegen des Fachkräftemangels.

40-Stunden-Woche: 92 Prozent der Väter arbeiten Vollzeit

Die Aufforderung, mehr zu arbeiten, richtet sich offensichtlich vor allem an die Mütter. Denn 92 Prozent aller Väter sind bereits in Vollzeit erwerbstätig. Zudem leisten sie häufig noch Überstunden, damit das Haushaltseinkommen ausreicht. Für die Kinder bleibt dann nur Zeit am Feierabend und am Wochenende.

Doch was Dulger, Kretschmer, Merz und Linnemann bei ihren markigen Aussagen gern verkennen: Frauen drehen nicht Däumchen. Oft noch in traditioneller Rolle halten sie ihrem Partner den Rücken frei. Was damit gemeint ist? Sie kümmern sich um die Kinder und den Haushalt, pflegen und versorgen Angehörige, organisieren Arzttermine und vieles mehr. Auch das ist Arbeit mit hoher Zeitbindung.

Nach wie vor erledigen den größten Teil der familiären Sorgearbeit die Frauen in Deutschland. Foto: dpa

Eine Prognos-Studie von Februar zeigt, dass Frauen mit durchschnittlich mehr als 39 Stunden Sorgearbeit bereits einen Vollzeitjob haben – nur eben einen unbezahlten.

» Lesen Sie auch: Anreize für „Mehr Bock auf Arbeit“ – und wie Ökonomen sie sehen

Kämen 40 Stunden Erwerbsarbeit hinzu, würde das also auf eine 80-Stunden-Woche hinauslaufen. Diese Rechnung geht einfach nicht auf. Denn in Deutschland fehlt es an einer verlässlichen Betreuungsinfrastruktur für Kinder und pflegebedürftige Familienmitglieder ebenso wie an bezahlbaren Entlastungsmöglichkeiten für die Hausarbeit. Deshalb sind für Mütter mitunter sogar Teilzeitjobs unmöglich.

72
Milliarden Stunden
Sorgearbeit leisten Frauen in Deutschland pro Jahr. (Quelle: Prognos)

Prognos hat errechnet, dass das Volumen der von Frauen geleisteten unbezahlten Sorgearbeit in Deutschland pro Jahr mit 72 Milliarden Stunden deutlich über dem (bezahlten) Gesamtarbeitsvolumen der Volkswirtschaft mit 60,6 Milliarden Stunden liegt.

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Care-Arbeit als „Nicht-Arbeit“ abzutun verkennt ihre Bedeutung als Fundament allen wirtschaftlichen Handelns. Der vorherrschende Deutungsrahmen von Arbeit ist völlig verquer: Wertschöpfung wird keineswegs nur von privaten Unternehmen generiert, wie Arbeitgeberpräsident Dulger meint. Arbeit fällt jeden Tag auch zu Hause an.

Mehr: Kommentar – Warum die 42-Stunden-Woche keine Lösung für den Fachkräftemangel ist

Erstpublikation: 10.06.2024, 10:40 Uhr.

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