Gastkommentar – Homo oeconomicus: Apps bieten zwar einfachen Zugang zur Carearbeit – die Arbeitsbedingungen sind allerdings problematisch

Gutscheine sollten der Autorin zufolge genutzt werden, um weiter Druck auf die Politik aufzubauen.
Internet und Smartphone-Apps haben die Transaktionskosten für die Vermittlung von häuslichen Diensten drastisch gesenkt. Die Betreiber solcher Plattformen haben wohlklingende Namen wie „Helpling“ oder „Book a tiger“.
Die Anwendungen verheißen kinderleichten Zugang zu Putzhilfen oder zu einer Betreuungskraft – und zwar legal. Allerdings basieren sie durchweg auf dem Geschäftsmodell der Soloselbstständigkeit, entsprechend müssen die Dienstleistenden weitgehend eigenständig für ihre soziale Absicherung aufkommen.
Einer Musterrechnung des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) zufolge bleiben einer soloselbstständigen Arbeitskraft bei einem Stundenlohn von 12,90 Euro nach Abzug von 20 Prozent Portalprovision und Krankenversicherungsbeiträgen 7,10 Euro. Noch nicht eingerechnet sind hier die Kosten für die Altersvorsorge oder die Anfahrt zur Arbeit. Damit liegt die Bezahlung weit unter dem Mindestlohn.
Einzig aufgrund dieser Mindestlohnumgehung können haushaltsnahe Dienste auf dem digitalen Marktplatz günstigerer angeboten werden als von Firmen, die ihre Beschäftigten regulär anstellen.
Bei einer Änderung des Status der Beschäftigten würde die Profitabilität erheblich schrumpfen, die Investoren erwarten. Obwohl On-demand-Firmen vorgeben, auf Qualifikation und Zuverlässigkeit zu achten, bestehen in der Praxis massive Qualitätsprobleme und eine hohe Fluktuation unter den Arbeitskräften.
Gutscheine zur Entlastung
Hinzu kommt, dass die digitalisierten Arbeitsaufträge meist unter hohem Zeitdruck ausgeführt werden, vergleichbar mit Akkordarbeit. Hier fügt sich eine für die Stakeholder offensichtlich außerordentlich attraktive Geschäftsidee im Zeitalter der Digitalisierung nahtlos in eine historisch lange Kette der prekären und atypischen Beschäftigungsverhältnisse im Dienstleistungssektor ein. Es ist bereits die Rede von einem „digitalen Prekariat“.

Uta Meier-Gräwe war bis 2018 Inhaberin des Lehrstuhls für Wirtschaftslehre des Privathaushalts und Familienwissenschaft an der Justus-Liebig-Universität Gießen und Beraterin der Bundesregierung.
Im aktuellen Koalitionsvertrag soll dieser Tendenz über die staatliche Förderung haushaltsnaher Dienstleistungen entgegengewirkt werden. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will Familien mit Kindern, Alleinerziehenden und Personen mit pflegebedürftigen Angehörigen zur Entlastung bezuschusste Gutscheine aushändigen.
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Diese können jedoch nur bei Dienstleistungsbetrieben eingelöst werden, die nach bestimmten arbeitsrechtlichen Qualitätsstandards zertifiziert sind und den Beschäftigten Anspruch auf Sozialleistungen bieten, also Kurzarbeitergeld, Kranken- und Arbeitslosengeld, aber auch Weiterbildungsmöglichkeiten. Das dürfte für viele Plattformbeschäftigte ein Anlass sein, sich von den On-demand-Firmen abzuwenden und in ein zertifiziertes Dienstleistungsunternehmen zu wechseln.
Das sollte genutzt werden, um weiter Druck aufzubauen, damit die Arbeitsbedingungen für die über Plattformen vermittelten Beschäftigten besser werden oder dieses ausbeuterische Geschäftsmodell verschwindet.
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