Gastkommentar – Homo oeconomicus: Deutschland hat einen unverdienten Vorteil – die EZB gleicht ihn aus und das ist gut so

Die Europäische Zentralbank reinvestierte Milliarden in Staatsanleihen südeuropäischer Länder.
Das Pandemie-Notfallankauf-Programm (PEPP) der Europäischen Zentralbank (EZB) hat eine entscheidende Rolle dabei gespielt, einen Crash der Anleihe- und Aktienmärkte zu verhindern. Diese hatten im März 2020 wegen übertriebener Marktreaktionen rund um die Auswirkungen der Coronapandemie unter enormem Stress gestanden, der dank des PEPP rasch zurückging.
Die EZB hat ihre PEPP-Nettoankäufe von bestehenden Staatsanleihen im März 2022 beendet. Doch nun hält sie 1690 Milliarden Euro an Staatsanleihen, die seit 2020 angekauft wurden. Die Laufzeiten dieser Anleihen variieren zwischen wenigen Monaten und drei Jahrzehnten.
Wenn eine Anleihe fällig wird, zahlt die jeweilige Regierung diese an die EZB zurück. Um die Summe der von ihr in Umlauf gebrachten Gelder nicht zu schrumpfen und so den Finanzmärkten Liquidität zu entziehen, was im unsicheren wirtschaftlichen Umfeld riskant wäre, reinvestiert die EZB die Mittel.
Ein PEPP-Charakteristikum ist, dass die EZB flexibel entscheiden kann, welche Anleihen sie kauft. Wenn also nun eine deutsche Anleihe zurückgezahlt wird, kann die EZB die Mittel in den Kauf von bestehenden Anleihen anderer Länder reinvestieren.
Tatsächlich tat die EZB im Juni und Juli 2022 genau das: Sie reinvestierte 17 Milliarden Euro in italienische, spanische und griechische Staatsanleihen, während ihr Portfolio von deutschen, niederländischen und französischen Schuldtiteln entsprechend schrumpfte.
Deutschland hat einen unverdienten Vorteil
Die PEPP-Reinvestitionen sind die erste Verteidigungslinie gegen eine neue Euro-Krise am Horizont, die durch ein Auseinanderlaufen der Zinsen zwischen deutschen Anleihen und jenen der südeuropäischen Länder entstehen könnte. Das EZB-Handeln dämmte in den vergangenen Wochen insbesondere die Zinsdifferenz zwischen Deutschland und Italien ein.

Philipp Heimberger ist Ökonom am Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW).
Die EZB macht damit nicht einfach die Länder Südeuropas mit höheren Schulden zu Gewinnern, wie unter anderen Daniel Stelter behauptet. Die EZB leistet vielmehr einen Beitrag dazu, strukturelle Vor- und Nachteile im Euro-Raum auszugleichen. Im Diskurs geht oft unter, dass Deutschland als wirtschaftlich und politisch mächtigstes Land der Euro-Zone einen unverdienten Vorteil hat: Gerade in Krisenzeiten wollen Investorinnen und Investoren Bundesanleihen kaufen, die als sicherster Hafen gelten; damit profitiert Deutschland von den niedrigsten Anleihezinsen.
Südeuropa ist wegen der Euro-Konstruktion hingegen strukturellen Nachteilen ausgesetzt. Der Euro kombiniert eine supranationale Geldpolitik mit nationaler Fiskalpolitik.



Die EZB muss glaubwürdig hinter Anleihen einzelner Regierungen stehen, die von Investoren als Wackelkandidaten herausgegriffen wurden. Ansonsten können sich diese Staaten nicht gegen spekulative Marktübertreibungen zur Wehr setzen, die ihre Anleihezinsen und somit auch das allgemeine Zinsniveau im Land bei Unsicherheit viel stärker ansteigen lassen als im strukturell bevorteilten Deutschland.
Um juristische Zweifel zu beseitigen und die Währungsunion nachhaltig zu stabilisieren, sollte der geldpolitische Umgang mit Staatsschulden demokratisch diskutiert und im EZB-Mandat sauberer als bisher geregelt werden.
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