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Gastkommentar – Homo oeconomicusDie Idee des gebundenen Vermögens spaltet das liberale Lager

Bedroht die Gesellschaft mit gebundenem Kapital den freien Kapitalverkehr, oder erweitert sie die Option die Entscheidungsfreiheit? Erich Theodor Barzen wägt die Argumente ab. 22.11.2021 - 08:30 Uhr Artikel anhören

Erich Theodor Barzen berät als Rechtsanwalt der Solidaris-Gruppe Unternehmen des Non-Profit-Sektors. Zuvor war er Finanzchef einer großen evangelischen Landeskirche.

Foto: Handelsblatt

Wenn ein Gesetzentwurf namhafter Rechtswissenschaftler zur neuen Rechtsform „GmbH mit gebundenem Vermögen“ (GmbH-gebV) beschlossen werden sollte, dann werden Jahresüberschüsse der betroffenen Unternehmen künftig ausschließlich der Stärkung des Eigenkapitals dienen. Gewinnausschüttungen sind für sie ausgeschlossen – auf ewig.

Die Gesellschafter einer Gesellschaft mit gebundenem Vermögen (GgebV), wie die kürzere Bezeichnung lautet, seien Eigentümer der Verantwortung und der Leitung des Unternehmens, nicht aber seiner Gewinne, heißt es im Entwurf. Im Falle ihres Ausscheidens oder der Liquidation erhalten die Gesellschafter ihre Einlage zurück, mehr nicht. Veräußern können sie die Geschäftsanteile nur an natürliche Personen, an andere GgebV oder an Stiftungen.

Das Konzept hat nicht nur Freunde. Birgit Weitemeyer, Stiftungs- und Steuerrechtlerin an der Bucerius Law School, hält dagegen, große Vermögen würden dadurch dem Wirtschaftskreislauf und damit einer optimalen Nutzung entzogen. Das Kapital werde an die „tote Hand“ der Unternehmensgründer gebunden.

Für den Gesellschaftsrechtler Joachim Hennrichs von der Universität Köln hat eine solche Kapitalbindung keinen Platz in der marktwirtschaftlichen Ordnung. Zu dieser gehöre auch die Freiheit des Kapitalverkehrs. Er spannt einen weiten gedanklichen Bogen: „Die Erfahrungen mit Wirtschaftsordnungen, die meinen, privatnütziges Unternehmertum durch Bevormundungen ersetzen zu sollen, sind jedenfalls nicht ermutigend.“

Zwei Verständnisse von Freiheit stehen einander gegenüber. Für die Verfechter des Gesetzentwurfs erweitert die neue Rechtsform die Privatautonomie. Unternehmensgründer könnten so eine weitere Rechtsform wählen. Sie seien nicht mehr darauf angewiesen, mit hohem Beratungsaufwand Schneisen in das bestehende Paragrafendickicht zu schlagen, um „Verantwortungseigentum“ zu schaffen. Auch werde kein Konsument genötigt, Waren aus vermögensgebundener Produktion zu kaufen. Jedem Erben eines Geschäftsanteils sei es erlaubt, die Erbschaft auszuschlagen.

Anders argumentieren die Skeptiker: Die Verbandsautonomie, Teil der grundrechtlich geschützten allgemeinen Handlungsfreiheit nach Artikel 2 des Grundgesetzes, werde aufs Spiel gesetzt. Jede selbst gesetzte Norm müsse bei Einstimmigkeit wieder aufgehoben werden können. Das gebiete die Vereinigungsfreiheit nach Artikel 9 des Grundgesetzes.

Lars Feld: „Urliberale Idee“

Der Riss geht mitten durch das liberale Lager. Lars Feld, als Chef des Walter-Eucken-Instituts ein Protagonist der Freiburger Schule der Nationalökonomie, sieht in dem Konzept eine „urliberale Idee“.

Florian Toncar, finanzpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, ist Mitglied im Kuratorium der Stiftung Verantwortungseigentum. Für ihn ist das Modell „Ausdruck unternehmerischer Freiheit“, für die „niemandem Rechenschaft geschuldet“ werde.

Derzeit steht die Ampel auf Grün. Robert Habeck, Co-Vorsitzender der Grünen, ist ein „Fan der Idee.“ SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz findet den Gedanken „ausgesprochen sympathisch“. Das Sondierungspapier der Koalition in spe postuliert, Unternehmen mit gebundenem Vermögen gehörten zu „einer modernen Unternehmenskultur“.

Die These, eine ewige Kapitalbindung könne volkswirtschaftlich schädlich sein, ist ernst zu nehmen. Dennoch wird eine solche Kapitalbindung bei Stiftungen zugelassen, wenn auch meist mit einfacheren Möglichkeiten der Umschichtung.

Ebenso ernst zu nehmen ist das Argument, dass die Abschirmung eines Unternehmens von den rauen Winden des Kapitalmarkts andere Kräfte mobilisieren kann. Das Engagement und die Kreativität eines Teils der Mitarbeiterschaft könnten dadurch einen Schub erhalten. Die Gewissheit, dass das Unternehmen auch in ferner Zukunft nicht an einen Private-Equity-Fonds veräußert wird, kann motivieren.

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Der Staat sollte sich aus diesem Theorienstreit heraushalten. Wer sich freiwillig einer Vermögensbindung unterwerfen will, den sollte er nicht davon abhalten.

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