Gastkommentar – Homo Oeconomicus: Die Kita-Gebühren gehören vollständig abgeschafft

Bei der Entscheidung über die Gebühren spielen die Kommunalfinanzen oft eine entscheidende Rolle.
Seit zwei Jahren ist das Gute-Kita-Gesetz in Kraft. Damit sollte die Qualität der Kinderbetreuung verbessert und sollten die Gebühren verringert werden. Das Gesetz hat jedoch nichts daran geändert, dass weiterhin jedes Bundesland selbst darüber entscheidet, ob es grundsätzlich Kita-Gebühren geben darf. Über deren Höhe entscheiden dann wiederum die Kommunen.
Das führt dazu, dass die Betreuung beispielsweise in Berlin oder Düsseldorf komplett kostenfrei ist, während Eltern in Willich am Niederrhein für Kinder zwischen drei und sechs Jahren bis zu 611 Euro pro Monat bezahlen. Dabei ist der Lebensstandard in Willich keineswegs höher als im nahe gelegenen Düsseldorf – und auch die Qualität der Betreuung dürfte sich kaum positiv abheben. Vielmehr spielen bei der Entscheidung über die Gebühren die Kommunalfinanzen oft eine entscheidende Rolle.
Dass die Höhe der Kita-Gebühren vielerorts vom Einkommen der Eltern abhängt, erscheint auf den ersten Blick zwar sinnvoll. Was dabei jedoch häufig nicht berücksichtigt wird, ist die steuerliche Absetzbarkeit. Bis zu 4000 Euro können Haushalte pro Kind und Jahr bei der Einkommensteuer geltend machen. Aufgrund der unterschiedlichen Steuersätze profitieren davon vor allem Familien mit hohem Einkommen.
Hinzu kommt, dass die meisten Kommunen bei der Festsetzung der Gebühren Einkommensgruppen bilden: Ein Haushalt, dessen Einkommen genau über einer definierten Grenze liegt, zahlt direkt einen deutlich höheren Beitrag. Beides führt dazu, dass Familien mit geringem Einkommen unterm Strich häufig kaum weniger für die Kinderbetreuung aufbringen müssen als wohlhabendere Haushalte am gleichen Wohnort – in Einzelfällen sogar mehr.
Auch Schule und Uni sind nahezu kostenfrei
Eine Abschaffung der Kita-Gebühren würde diese Ungerechtigkeiten beseitigen. Zudem stehen die Gebühren auch im Kontrast zu anderen Bildungsangeboten in Deutschland: Schul- und Universitätsausbildung werden nahezu kostenfrei angeboten. Dabei zeigen Forschungsergebnisse, dass Kinder – insbesondere aus benachteiligten Familien – von frühkindlicher Betreuung besonders profitieren.

Dr. Sandra Schaffner leitet das Forschungsdatenzentrum FDZ Ruhr am RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Essen.


Hohe Gebühren verleiten jedoch dazu, frühkindliche Bildung weniger stark oder gar nicht in Anspruch zu nehmen. Das beeinflusst wiederum die Jobmöglichkeiten von Eltern, insbesondere Müttern. Ein Teufelskreis: Denn gerade in finanzschwachen Kommunen leben viele Familien, in denen die Kinder auf gute Betreuung angewiesen wären – und die Eltern auf Einkommen und berufliche Entwicklung.
Wenn in Deutschland weiter die Maxime gelten soll, dass gute Bildungschancen unabhängig vom Elternhaus gewährleistet werden, spricht das eindeutig für kostenfreie Kitas. Will man einkommensstarke Familien weiterhin an der Finanzierung der Kinderbetreuung beteiligen, sollte man sich zumindest auf eine deutschlandweit einheitliche Regelung einigen und die Chancen von Kindern und Eltern nicht von den Kommunalfinanzen abhängig machen.
Mehr: Der Schulausfall in der Pandemie könnte 3,3 Billionen Euro kosten





