Gastkommentar – Homo oeconomicus: Klimakosten: Die Rechnung, bitte!

Immer weniger Bürger sind bereit, für den teureren Strom aus erneuerbaren Energien zu bezahlen.
Machen wir uns nichts vor: Der Klimawandel kommt, und er wird teuer. Aber die Bereitschaft der Bevölkerung, die Kosten für mehr Klimaschutz zu tragen, ist einer Civey-Umfrage zufolge an einem Tiefpunkt.
Die Inflation hat dafür gesorgt, dass demnach heute nur noch jeder Fünfte bereit ist, für Strom aus erneuerbaren Energieträgern mehr zu zahlen. 2017 war es noch fast die Hälfte der Befragten.
Das Interesse an E-Autos ist trotz umfassender Verbrennerdebatte, neuer Modelle und besserer Ladeinfrastruktur zurückgegangen. Waren 2020 noch mehr als zwei Drittel der Deutschen bereit, höhere Preise für nachhaltige Lebensmittel in Kauf zu nehmen, ist es jetzt weniger als die Hälfte.
Doch das heißt nicht, dass das Thema für die Deutschen keine Relevanz mehr hat. Stolze 45 Prozent wünschen sich sogar einen höheren Stellenwert für den Klimaschutz in der EU. Der Kampf gegen den Klimawandel hat weniger ein Akzeptanz- als ein Finanzierungsproblem.
Dagegen können drei Maßnahmen helfen: eine ehrliche Kommunikation über die Kosten, mehr Pluralismus im Umgang mit dem Klimawandel und ein Zielbild, wie das Land nach der grünen Transformation aussehen soll.

Janina Mütze ist Co-Gründerin und CEO von Civey, dem Berliner Tech-Unternehmen für digitale Markt- und Meinungsforschung.
Die Bekämpfung des Klimawandels ist eine transformatorische Mammutaufgabe, der wir uns unweigerlich stellen müssen. Egal, für welche Maßnahmen wir uns in der Klimapolitik entscheiden: Irgendjemand muss die Kosten tragen. Das spüren die Menschen, und je früher sie eine verlässliche Vorstellung von Aufwand und Nutzen haben, desto besser. Stattdessen wird von Verbrenner bis Wärmepumpe viel über Einzelposten und -förderungen diskutiert.
Beim Klimaschutz dürfen sich nicht nur linke Positionen durchsetzen
Wenig ist dagegen davon zu hören, wie Deutschland am Ende dieses Wandels aussehen wird. Dabei sollten wir genau das aktiv aushandeln: Nur wenn das Zielbild so klar wie möglich umrissen wird, können wir aktiv entscheiden, wie wir dorthin kommen wollen, wer die Kosten an welcher Stelle tragen soll und wo durch Steuergelder finanzierte Klimaschutzmaßnahmen gewählt werden sollen.
>> Lesen Sie hier: Innovationen statt Verzicht – Wie wir das Klima retten und unsere Freiheit
Gleichzeitig sollte von Schutzmaßnahmen bis Kostenbewältigung möglichst viel Ideenpluralismus herrschen. Verbote, starker Staat und staatlich finanzierte Maßnahmen können den Eindruck erwecken, dass sich im Klimaschutz lediglich linke Positionen durchsetzen.
So eindimensional lässt sich ein Wandel dieser Größenordnung nicht bewältigen. Es braucht zum Beispiel ebenso ein liberales, nach vorn gerichtetes Narrativ von der grünen Transformation, das über die individuelle Eigenverantwortung hinausgeht.



Zuletzt helfen bei allem Ehrlichmachen auch positive Zukunftsbilder. Das Bild von einer starken Wirtschaft und neuen Arbeitsplätzen zum Beispiel. Aus dieser Perspektive betrachtet stehen die Deutschen mit beeindruckender Mehrheit hinter Klimapolitik. Drei von vier sind der Meinung, die EU-Mitgliedstaaten sollten in die Klimaneutralität der eigenen Industrie investieren, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten.
Mehr: Mythos Verzicht – So funktioniert Klimaschutz nicht. Ein Essay.





