Gastkommentar – Homo oeconomicus: Ohne Schuldenerlass für den globalen Süden gibt es keinen wirksamen Klimaschutz
Die Ölförderung in dem Gebiet bringt Ecuador viel Geld, schadet aber auch der Umwelt.
Foto: ReutersUm den Klimawandel auf ein verträgliches Maß zu begrenzen, muss ein großer Teil der bekannten Ölreserven der Erde im Boden bleiben, anstatt verbrannt zu werden. Darin besteht Einigkeit unter Klimawissenschaftlern und Organisationen wie der Internationalen Energieagentur.
Dies zu erreichen ist jedoch ungeheuer schwierig. Es gibt eine große Nachfrage nach Öl, und für die Förderländer sind die Einnahmen meist unverzichtbar.
Umso bemerkenswerter ist das Ergebnis eines Referendums, das jüngst in Ecuador im Zusammenhang mit der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen abgehalten wurde. Die Wähler entschieden sich dafür, dass die Förderung in einem der Ölfelder im Yasuní-Nationalpark innerhalb der nächsten zwölf Monate beendet werden muss.
Die Förderung findet in einem ökologisch hochsensiblen Gebiet statt, in dem eine enorme Biodiversität beheimatet ist. Seit 1989 ist Yasuní ein Biosphärenreservat der Unesco. Gegen die mit der Förderung verbundenen Zerstörungen protestieren seit vielen Jahren vor allem die ansässigen indigenen Bevölkerungsgruppen.
Bereits vor dem Referendum war dessen Erfolg anhand von Wählerbefragungen absehbar. Dies rief die Ratingagenturen auf den Plan. Wenige Tage vor der Abstimmung stufte die Ratingagentur Fitch Ecuador auf die Note CCC+ herunter.
Jens Beckert ist Direktor am Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung.
Foto: David AusserhoferDies sind fünf Stufen unterhalb des Investmentgrades, der es normalen Kapitalanlagegesellschaften erlauben würde, in die Anleihen des Landes zu investieren. Die Agentur führte in ihrem Bericht „zunehmende politische Risiken“ in Ecuador an und nannte dabei das Referendum zur Ölförderung.
Ecuador entgingen durch Förderstopp Millionen
Wird das Förderfeld im Yasuní-Nationalpark tatsächlich geschlossen, verringern sich die Einnahmen Ecuadors aus der Ölförderung um zwölf Prozent. Dem Land entgehen bei den derzeitigen Ölpreisen pro Jahr ungefähr 600 Millionen Dollar Einnahmen. Dies entspricht zwei Prozent des Staatshaushalts des südamerikanischen Landes, dessen Verschuldung sich in den vergangenen zehn Jahren, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, verdreifacht hat. Zukünftig wird Ecuador deshalb noch höhere Zinsen für seine Schulden bezahlen müssen.
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Das Beispiel verdeutlicht in erschreckender Weise das Scheitern des Klimaschutzes auch an unserer Wirtschaftsordnung. Ein Land, dessen Bevölkerung mehrheitlich bereit ist, selbst einen Preis für den Klimaschutz zu bezahlen, wird dafür von den Hohepriestern der Finanzwelt zusätzlich abgestraft.
Andere Länder werden die Schlussfolgerungen daraus ziehen: Wenn es ums Geld geht, dann hat das Klima hintanzustehen. Ohne erhebliche Schuldenerleichterungen für die Länder des globalen Südens wird der Klimawandel nicht gestoppt werden können.