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Morning BriefingSchnelle Steuersenkung jetzt? Die Debatte hat begonnen

Christian Rickens 08.12.2025 - 05:53 Uhr
Handelsblatt Morning Briefing

Steuerdebatte: Ist 2028 zu spät? / Rentendebatte: Nachsitzen für Akademiker?

08.12.2025
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Liebe Leserinnen und Leser,

beim Beschließen von höheren Ausgaben ist die Regierungskoalition im ICE-Tempo gestartet. Bei den versprochenen Steuersenkungen orientiert man sich eher an der Usedomer Bäderbahn. Eine schrittweise Senkung der Körperschaftsteuer, die vor allem Kapitalgesellschaften auf ihren Gewinn entrichten müssen, ist zwar bereits verabschiedet. Beginnen soll sie aber erst 2028. Für die aktuelle Bundesregierung hat das den Vorteil, dass sie sich nicht mehr mit den unvermeidlichen Einnahmeausfällen im Haushalt herumärgern muss.

Doch aus gleich zwei Bundesländern kommt nun der Ruf nach mehr Tempo. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagte dem Handelsblatt:

Es wäre sinnvoll, die schrittweise Senkung der Körperschaftsteuer von 2028 auf den 1. Juli 2026 vorzuziehen – sofern es unsere finanziellen Spielräume zulassen.

Das würde der Wirtschaft einen wichtigen Schub geben, so Söder. Derzeit beträgt die Körperschaftsteuer 15 Prozent. Durch den Plan der Koalition würde sie bis 2032 auf zehn Prozent sinken. Der grüne Finanzminister von Baden-Württemberg, Danyal Bayaz, plädiert ebenfalls für eine vorgezogene Senkung der Unternehmenssteuer und geht dabei sogar noch einen Schritt weiter als Söder:

Die Körperschaftsteuer kann zum kommenden Jahr um zwei Prozentpunkte gesenkt werden, statt erst 2028 mit einer stufenweisen Senkung zu beginnen.

So könne „der avisierte Steuersatz von zehn Prozent noch in dieser Legislatur erreicht werden“.

Hintergrund der Forderungen: In Baden-Württemberg und Bayern macht sich die Krise der deutschen Industrie derzeit besonders bemerkbar. „Es schreit nach einem echten Befreiungsschlag“, sagte Bayaz dem Handelsblatt.

SPD-Chef Klingbeil (l.), CSU-Vorsitzender Söder: Sorge um den Wirtschaftsstandort. Foto: Getty Images

Die Vorstöße von Söder und Bayaz stoßen in der SPD allerdings auf wenig Gegenliebe. Fraktionsvizin Wiebke Esdar sagte:

Eine notwendige Bedingung zum Gelingen der Koalition ist es, dass alle Koalitionspartner vertrauensvoll zusammenarbeiten. Dazu gehört, dass nicht alle paar Wochen via Interview neue Vorschläge gemacht werden, ohne zu sagen, wer das dann finanzieren soll.

Rentenalter nach Beitragsjahren?

Wo wir gerade bei interessanten Vorschlägen jenseits des Koalitionsvertrags sind: Esdars Parteifreundin, Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas, zeigt Sympathie für die Idee, den Renteneintritt nicht mehr an das Lebensalter zu koppeln – sondern an die Zahl von Beitragsjahren. „Ich finde die Idee grundsätzlich ganz gut“, sagte Bas in der ARD.

Der Wirtschaftsprofessor Jens Südekum, persönlicher Berater von Finanzminister Lars Klingbeil (SPD), hatte zuvor „Bild“ gesagt:

Wir müssen auf die tatsächlichen Lebensarbeitszeiten gucken. Akademiker zahlen deutlich später in die Rentenkasse ein als jemand, der mit 16 oder 18 Jahren eine Lehre beginnt und dann durcharbeitet. Den Rentenbeginn an die Beitragsjahre zu binden, ist gerechter.

Grüner regiert Kiel

Der Grünen-Politiker Samet Yilmaz wird neuer Oberbürgermeister von Kiel. Der 44-Jährige gewann die Stichwahl mit 54,1 Prozent der Stimmen. Er setzte sich knapp gegen den parteilosen Gerrit Derkowski durch, den CDU, FDP und Südschleswigscher Wählerverband (SSW) unterstützt hatten.

Yilmaz ist der erste Grünen-Politiker, der die Landeshauptstadt von Schleswig-Holstein regieren wird. Der amtierende Oberbürgermeister Ulf Kämpfer (SPD) trat nach zwei Amtszeiten nicht wieder an. Er will in die Landespolitik wechseln.

Aleph Alpha: Bei der Firma von Co-Gründer Jonas Andrulis (rechts) gibt es viele personelle Veränderungen. Foto: picture alliance/dpa, PR (2) [M]

Sanierungsprogramm bei Aleph Alpha

So vergeht der Ruhm der KI-Welt: Noch vor zwei Jahren galt Aleph Alpha als die heißeste Hütte, die Deutschland in Sachen Künstliche Intelligenz (KI) zu bieten hatte. Nun ist das Heidelberger Start-up offenbar ein Sanierungsfall. Darauf deuten zumindest die harten Einschnitte der neuen Unternehmensspitze um Reto Spörri hin.

Allein aus den Führungsebenen liegen dem Handelsblatt die Namen von zehn Personen vor, die das Unternehmen verlassen sollen. Auch in anderen Bereichen sind Beschäftigte gegangen – insgesamt rund zehn Prozent der gesamten Belegschaft. Der Prozess scheint noch nicht abgeschlossen. Konfrontiert mit den Rechercheergebnissen des Handelsblatts teilt Aleph Alpha mit:

Die Geschäftsführung hat den Auftrag, die Positionierung des Unternehmens zu fokussieren und die Organisation konsequent auf die Kundenstrategie auszurichten.

Auch ohne KI-Unterstützung kann festgehalten werden: Eine stärkere Ausrichtung auf den Kunden ist für so ziemlich jedes Unternehmen auf diesem Planeten eine gute Idee. Und wer heute Deutschlands heißeste KI-Adresse erleben will, muss von Heidelberg knapp 200 Kilometer weiter nach Süden fahren: In Freiburg bieten Black Forest Labs mit ihrer Bilderzeugungs-KI derzeit sogar Google die Stirn.

Mitarbeiter in einem Rechenzentrum: Wie lange halten die Chips der mehrere Milliarden Euro teuren Anlagen wirklich? Foto: picture alliance / Science Photo Library

Geschönte Bilanzen durch KI-Chips?

Weltweit hat der KI-Boom zu einer enormen Nachfrage nach Hochleistungschips für Rechenzentren geführt. Unsere Grafik zeigt: Rechenzentrumsbetreiber wie Amazon Web Services (AWS), Microsoft oder Google dürften in diesem Jahr rund 150 Milliarden Dollar für die KI-Chips ausgeben.

Ob sich die enormen Ausgaben auszahlen, ist jedoch fraglich. Jedes Jahr bringen die KI-Halbleiterkonzerne, allen voran Nvidia, neue, leistungsstärkere Generationen auf den Markt – und drücken damit den Wert der älteren Modelle.

Der prominente Hedgefonds-Manager Michael Burry wirft den großen amerikanischen Tech-Konzernen daher vor, durch zu lange Abschreibungsfristen auf KI-Chips ihre Gewinne schönzurechnen. Burry wurde Mitte der 2000er-Jahre bekannt, als er gegen die damalige Immobilienblase in den USA wettete – und mehrere hundert Millionen daran verdiente. Seine Geschichte wurde anschließend im Buch und Film „The Big Short“ erzählt.

Burry zufolge ist der in der Branche übliche Abschreibungszeitraum von fünf bis sechs Jahren viel zu lang. Angemessen seien vielmehr zwei oder drei Jahre, meint der Investor. Seiner Ansicht nach könnten die Gewinne der großen amerikanischen Tech-Konzerne Amazon, Alphabet, Meta, Microsoft und Oracle in der Folge um mehr als 20 Prozent zu hoch ausgewiesen sein.

Wenn die Chips schneller veralten als angenommen, drohen demnach Wertminderungen von bis zu 176 Milliarden Dollar in den kommenden drei Jahren. Das Risiko einer KI-Blase würde entsprechend steigen.

Nvidia weist die Vorwürfe Burrys zurück. Der weltgrößte Chipkonzern erklärte unlängst, eine Abschreibungsdauer von vier bis sechs Jahren sei marktüblich, denn so lange seien die Chips mindestens im Einsatz.

Jodeln soll Weltkulturerbe werden

Die Unesco berät in dieser Woche in Indien über die Anerkennung von 66 Traditionen aus aller Welt als Kulturerbe. Nominiert ist unter anderem das Jodeln in der Schweiz. Nominierungen aus Deutschland werden bei der 20. Sitzung des zwischenstaatlichen Ausschusses für das immaterielle Kulturerbe in der Hauptstadt Neu-Delhi nicht behandelt.

Ich persönlich empfinde es als bedauerlich, dass das deutsche Kulturerbe der „umgekehrten Wagenreihung“ abermals nicht die gebotene Berücksichtigung findet. Zumal die Deutsche Bahn tagtäglich dafür sorgt, dass diese Praxis wie von der Unesco gefordert „lebendig erhalten und weitergegeben“ wird.

Ich wünsche Ihnen einen erstklassigen Wochenstart.

Herzliche Grüße,

Verwandte Themen Markus Söder Aleph Alpha SPD Baden-Württemberg Bärbel Bas Bayern

Ihr

Christian Rickens

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