Homo oeconomicus: Geht die Arbeitswelt vor die Hunde?
Sind Angestellte beispielsweise bereit, auch um 21 Uhr noch auf eine E-Mail zu reagieren, erwarten sie, dass ihnen im Gegenzug auch tagsüber Vereinbarkeit ermöglicht wird.
Mein neustes Lieblingsthema für Business-Smalltalk sind Hunde auf der Arbeit. Vielleicht ist es Ihnen auch aufgefallen: In immer mehr Büros gehören sie inzwischen zum Erscheinungsbild.
Bei Civey sehen wir diese Entwicklung auch in unseren Befragungsdaten: Mittlerweile können in jedem vierten Büro Vierbeiner mitgebracht werden. Seit etwa zwei Jahren ist die Gruppe der regelmäßigen Bürogänger, die das gut finden, größer als die der Kritiker. Und diese Schere geht immer weiter auseinander. Warum auch nicht? Hunde bauen nachweislich Stress ab und wirken sich positiv auf die Stimmung bei der Arbeit aus.
Die Art und Weise, wie Menschen arbeiten wollen, verändert sich. Dabei zählen heute weniger die Benefits und mehr die Balance. Der Wunsch nach einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben hat viele Ausprägungen: Spielraum bei den Arbeitszeiten, individuelle Teilzeitmodelle, Homeoffice, Work from abroad – und wenn es das Leben leichter macht, den Hund mit ins Büro zu bringen, dann eben auch das.
Seltsamerweise werden die veränderten Ansprüche immer wieder politisiert, zum Beispiel in der Debatte um das Für und Wider einer Viertagewoche. So als stünden sich im Büro zwei Lager gegenüber: die Ärmelhochkrempler und die Fraktion Ponyhof, die den Wohlstand im Land gefährdet.
Ich bezweifle, dass diese politische Diskussion zu mehr Produktivität im Land führt. Sie scheint mir an den Kernherausforderungen vorbeizuziehen. Produktivitätssprünge werden wir nicht durch mehr Arbeitsstunden erreichen. Dafür braucht es vielmehr Kreativität und Innovationskraft.
Ein Geben und Nehmen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern
Gleichzeitig ist unsere Gesellschaft erschöpft. Die Stapelkrisen der letzten Jahre und andauernde Herausforderungen sorgen für abnehmende Zuversicht im Land. Hinzu kommen die immer mehr verschwimmenden Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit als Folge der Digitalisierung.
Janina Mütze ist Co-Gründerin und CEO von Civey, dem Berliner Tech-Unternehmen für digitale Markt- und Meinungsforschung.
Diese Entwicklung hat ein neues Geben und Nehmen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern entstehen lassen. Sind Angestellte beispielsweise bereit, auch um 21 Uhr noch auf eine E-Mail zu reagieren, erwarten sie, dass ihnen im Gegenzug auch tagsüber Vereinbarkeit ermöglicht wird.
Dass manche sich auch unter den neuen Bedingungen ein Stück weit abgrenzen wollen, zeigt der steigende Wunsch nach einer Viertagewoche, mit der immerhin Grenzen nach Wochentagen gesetzt werden können.
>> Lesen Sie hier: Prüfers Kolumne: Wenn der Chef seinen Mitarbeitern Hunde-Urlaub gibt
Es wäre ein Trugschluss, wenn wir Unternehmerinnen und Unternehmer solche Vorstöße gleich mit mangelnder Motivation in der Belegschaft gleichsetzen würden. Oder mit einem Niedergang der Produktivität am Wirtschaftsstandort Deutschland.
Nicht das Ob der Arbeit steht infrage, sondern das Wie. Unternehmen sind nun gefragt, gesundheitsfördernde Arbeitsmodelle zu entwickeln, die langfristige Produktivität ermöglichen.
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