Morning Briefing: Dank Bas hat jetzt auch die SPD eine kleine Stadtbild-Debatte

Rentenstreit: Gefährdet Bas-Äußerung die Mehrheit?
Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser!
Nun hat Bärbel Bas den Sozialdemokraten doch glatt ihre eigene kleine Stadtbild-Debatte beschert! Die Arbeits- und Sozialministerin und SPD-Covorsitzende sprach auf dem Juso-Kongress am Wochenende allerdings nicht über Probleme mit Migrantinnen und Migranten, sondern über eine sehr viel kleinere Gruppe der Gesellschaft: Über die „Herren in bequemen Sesseln, der eine oder andere im Maßanzug“, die auf der Jahrestagung des Arbeitgeberverbands BDA stellenweise mit sarkastischen Lachern auf Bas Rede zur Rentenpolitik reagiert hatten.
Der Arbeitgebertag sei für sie ein „Schlüsselerlebnis“ gewesen, so Bas bei den Jusos. Dort sei besonders deutlich geworden, „gegen wen wir eigentlich gemeinsam kämpfen müssen“.
Eine Arbeitsministerin, die zum Kampf gegen Arbeitgeber aufruft, und das im dritten Stagnationsjahr der deutschen Wirtschaft: Das kann man schwierig finden, und das taten gestern auch so einige:

Bas und die Folgen für den Rentenstreit
Politische Relevanz hat allein die dritte Aussage. Bei der Abstimmung über das umstrittene Rentengesetz wird es vor allem auf eines ankommen: Ob die 18 Rentenrebellen aus Winkels Junger Gruppe befürchten, dass sie mit dem Versprechen einer echten Rentenreform im kommenden Jahr über den Löffel balbiert werden. Das Vertrauen in die Reformbereitschaft der SPD dürfte Bas in diesem Kreis nicht befördert haben.
Am Donnerstag oder Freitag sollen die Parlamentarier über Mütterrente, Aktivrente und die Stabilisierung des Rentenniveaus abstimmen. Laut Handelsblatt-Recherchen stand es gestern Spitz auf Knopf, ob die Regierungskoalition eine eigene Mehrheit für das Gesetz zusammenbekommen wird.

Wahrscheinlich sollten wir Frau Bas das gleiche Recht einräumen, rhetorisch mal übers Ziel hinauszuschießen, wie wir es mittlerweile notgedrungen dem Bundeskanzler zugestehen.
Zwei Fragen hätte ich allerdings noch an Frau Bas:
Banking für Reiche – und richtig Reiche
Laut Bas verläuft die Trennlinie in diesem Land „nicht zwischen Jung und Alt, sondern zwischen Arm und Reich“.
Oder zwischen reich und richtig reich, wie man es in Bezug aufs Bankgeschäft in Deutschland wohl formulieren müsste. Jens Wiegel, Senior Manager bei der Unternehmensberatung ZEB, sagte unserem Finanz-Ressortleiter Michael Maisch:
Wiegel ist Co-Autor einer Private-Banking-Studie, deren neue Ausgabe dem Handelsblatt exklusiv vorab vorliegt. Die Studie unterteilt den Markt in zwei Segmente. Das Private Banking kümmert sich um Kunden mit einem liquiden Vermögen von 500.000 bis drei Millionen Euro.
Wohlgemerkt: Das ist der untere Bereich.

Das Wealth-Management wiederum verwaltet Vermögen von drei bis 100 Millionen Euro je Kunde. „Vor allem im Wealth-Management wird der Konkurrenzdruck immer höher, weil sich die Banken hier höhere Erträge je Kunde versprechen“, sagt Wiegel.
Im Private Banking sieht Wiegel jedoch eine Beratungslücke. Dabei wirft der Bereich in Deutschland mit elf Milliarden Euro etwa gleich viel Ertrag ab wie das Wealth-Management.
Und wie legen die Reichen und Superreichen in Deutschland ihr Geld an? Unsere Grafik zeigt die wichtigsten Trends.
Lebenslanger Ausweis ab 70
Mit einer „föderalen Modernisierungsagenda“ soll „die staatliche Verwaltung und öffentliche Organisation in Deutschland grundlegend und übergreifend erneuert werden“. So steht es im 68-seitigen Entwurf eines Plans zur Staatsmodernisierung. Er soll auf der Ministerpräsidentenkonferenz am Donnerstag beschlossen werden und liegt dem Handelsblatt vor.

Die vielleicht spektakulärste Maßnahme, auf die sich Bund und Länder laut dem Papier bereits geeinigt haben: „Personalausweise für Staatsbürger, die nach dem 70. Lebensjahr ausgestellt werden, sollen künftig unbefristet Gültigkeit haben.“ Das Gesetz werde bis zum 30. Juni 2026 entsprechend angepasst.
Ansonsten gibt es manche Einigkeit im Kleinen, aber umso mehr Streit im Großen. Bis Donnerstag müssen die Kompromissschmiede von Bund und Ländern noch manches zurechtdengeln. Was genau, können Sie hier nachlesen.
Kreml meldet Eroberung von Pokrowsk
Das russische Militär hat dem Kreml zufolge die seit etwa einem Jahr umkämpfte ukrainische Stadt Pokrowsk im Gebiet Donezk vollständig eingenommen. Das sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow russischen Journalisten. Aus Kiew gab es zunächst keine Bestätigung.
Alles Aktuelle dazu finden Sie in unserem Ukraine-Nachrichtenblog.
Bei der AfD darf man nicht wie Hitler klingen
AfD-Chef Tino Chrupalla zeigt sich überzeugt, dass ein an Adolf Hitler erinnernder Redner der neuen AfD-Jugendorganisation bald nicht mehr der Partei angehören wird. „Mal gucken, was noch rauskommt“, sagte Chrupalla im Sender ntv über eine Rede von Alexander Eichwald. „Auf alle Fälle wird er kein Mitglied der Partei bleiben.“
Eichwald hatte sich am Wochenende in Gießen für einen Vorstandsposten in der neuen Jugendorganisation Generation Deutschland beworben. In seiner Bewerbungsrede fuchtelte er mit dem Finger und drosch mit rollendem „R“ rechte Parolen. Der Auftritt erinnert an Hitler-Reden. AfD-intern und im Netz läuft seitdem eine Diskussion darüber, ob sich Eichwald für die womöglich satirisch gemeinte Aktion in die Partei eingeschlichen habe.
Ein Parteiausschluss müsste über ein Schiedsgericht der AfD durchgesetzt werden. Ich warne an dieser Stelle jedoch vor Vorverurteilungen. Womöglich handelt es sich bei Eichwald lediglich um einen aufrechten Patrioten, der nun die Welt nicht mehr versteht: Die Nazis waren laut dem AfD-Ehrenvorsitzenden Alexander Gauland doch nur „ein Vogelschiss in unserer über 1000-jährigen Geschichte“. Warum regt sich die AfD dann so auf, wenn man ein ganz klein wenig wie die damalige Leitgans klingt?
Ich wünsche einen Dienstag, an dem für Sie nicht nur das „R“ rollt.




Herzliche Grüße,
Ihr
Christian Rickens
Textchef Handelsblatt





