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Asia TechonomicsChinesische Firmen stecken im deflationären Teufelskreis

Chinas Wirtschaft leidet unter massiven Überkapazitäten und einem ruinösen Preiswettbewerb. Inzwischen ist der Druck so groß, dass die Staatsführung eine Debatte über das Tabuthema zulässt.Sabine Gusbeth 09.07.2025 - 12:57 Uhr Artikel anhören
BYD-Werk in Thailand: Chinas Unternehmen in der Negativspirale. Foto: REUTERS

Seit 33 Monaten sinken die chinesischen Produzentenpreise, wie die Statistikbehörde in Peking am Mittwoch bekannt gab. Insbesondere wettbewerbsintensive Industrien wie E-Autos und erneuerbare Energien befinden sich in einem Teufelskreis. Sie drohen vom heftigen Preiswettbewerb ruiniert zu werden und haben gleichzeitig große Überkapazitäten aufgebaut – das Geld für Innovationen fehlt.

In China spricht man in diesem Zusammenhang oft von 内卷 (nèi juǎn), wörtlich übersetzt bedeutet das „sich einrollen“ oder „sich um sich selbst drehen“. Ursprünglich bezeichnete der Begriff den harten, zunehmend sinnlos erscheinenden Konkurrenzkampf zwischen jungen Chinesen – das sprichwörtliche „Hamsterrad“.

Harter Konkurrenzkampf, der zu nichts führt

Inzwischen wird der Begriff auch für Branchen verwendet, die unter einem immer schärferen Wettbewerb leiden, der zu nichts führt. Unternehmen produzieren immer mehr, versuchen mit immer höheren Rabatten Marktanteile zu gewinnen, verdienen dabei aber kein Geld. Dadurch fehlen die finanziellen Mittel, um in Forschung und Entwicklung zu investieren.

Der Versuch, mit dem Export der Überproduktion Geld zu verdienen, stößt vielerorts auf Widerstände. Der Handelsstreit mit den USA verschärft Chinas Deflationsproblem.

Diese sinkenden Preise sind nach Auffassung der meisten Ökonomen volkswirtschaftlich gefährlicher als eine hohe Inflation, weil sie eine Abwärtsspirale auslösen können: Wenn Unternehmen und Verbraucher sinkende Preise erwarten, schieben sie Investitionen auf, was wiederum das Wachstum schwächt – die Preise sinken weiter.

In der wöchentlichen Kolumne „Asia Techonomics“ schreiben Handelsblatt-Korrespondenten im Wechsel über Innovations- und Wirtschaftstrends in Asien. Foto: Klawe Rzeczy

Die Daten für das Wirtschaftswachstum im ersten Halbjahr werden am kommenden Dienstag veröffentlicht. Lange war Deflation in China ein Tabuthema. Über „japanische Verhältnisse“ dürfe er mit ausländischen Journalisten nicht sprechen, sagte ein renommierter chinesischer Ökonom dem Handelsblatt noch vor Kurzem. Die Staatsführung verwahrte sich gegen Kritik westlicher Politiker an „chinesischen Überkapazitäten“.

Staatsführung warnt vor „ungeordnetem“ Wettbewerb

Doch inzwischen warnt selbst die Führung der herrschenden Kommunistischen Partei (KP) um Parteichef Xi Jinping offen vor der immer stärkeren Negativspirale: Man werde gegen den „ungeordneten Wettbewerb“ mit immer niedrigeren Preisen vorgehen und den Abbau veralteter Produktionskapazitäten fördern, hieß es in der vergangenen Woche nach der Sitzung des zentralen Komitees für Finanzen und Handel unter Xis Leitung.

Chinas Parteichef Xi Jinping: Kritik am „ungeordneten“ Wettbewerb. Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS

Die Vertreter besonders hart umkämpfter Branchen, etwa der E-Auto- und der Solarindustrie, wurden einbestellt und dazu aufgerufen, den ruinösen Preiswettbewerb zu beenden.

Seit der deutlichen Kritik aus der Parteispitze läuft eine neue Debatte über Auswege aus der Deflation. Dass die Staatsführung derzeit einen neuen Fünfjahresplan ausarbeitet, verleiht der Diskussion zusätzliche Bedeutung.

Debatte über Konsumförderung im neuen Fünfjahresplan

Das Wirtschaftsmagazin „Caixin“ zitiert mehrere prominente chinesische Wirtschaftsberater, die sich offen für eine stärkere Förderung des Haushaltskonsums im kommenden Fünfjahresplan aussprechen, um das Problem der Überkapazitäten zu lösen.

Andere Experten sind mit offener Kritik noch vorsichtig. So zitiert die Nachrichtenagentur Reuters mehrere Politikberater, die sicherheitshalber anonym bleiben wollen: Der Binnenkonsum müsse als wichtiger Motor für Wachstum und wirtschaftlichen Wandel gestärkt werden. Einer warnte vor der großen Exportabhängigkeit, diese „macht uns anfällig für globale Schocks“.

Zollstreit

Peking warnt vor Anti-China-Klauseln in US-Handelsabkommen

Das Heikle an der Debatte: Die Überproduktion und der daraus resultierende Preiswettbewerb sind eine direkte Folge der von ganz oben verordneten Industriepolitik. Kritik daran kann als Kritik an der Staatsführung verstanden werden.

Denn diese verfolgt ein innovationsgetriebenes, industriell geprägtes Wachstumsmodell – im Gegensatz zum westlichen konsumgetriebenen Ansatz. Noch im Mai veröffentlichte das KP-Vordenkermagazin „Qiushi“ einen Artikel, in dem Xi die Priorität der nationalen Entwicklung bei den Innovationen sieht.

Eklatante Lücke zwischen Angebot und Nachfrage

Die Staatsführung stärkt Zukunftsindustrien durch günstige Kredite und andere Subventionen. Einer direkten Förderung des Konsums stand sie dagegen lange ablehnend gegenüber. Dadurch klafft nun eine große Lücke zwischen Angebot und Nachfrage. Zudem sparen viele Verbraucher in China lieber. Sie haben nach der Immobilienkrise und angesichts der unsicheren Aussichten für die Wirtschaft Angst vor weiteren Wohlstandsverlusten.

Auf dem Volkskongress im Frühjahr gab es Hinweise, dass die Staatsführung zumindest ein wenig umschwenkt und den Konsum stärker fördern will, wenngleich mit chinesischen Charakteristiken. So soll ein Alt-gegen-Neu-Tauschprogramm mit staatlicher Förderung Kaufanreize schaffen.

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Der Erfolg des Programms war so groß, dass einige ohnehin klamme Provinzen es stoppen mussten. Ihnen fehlen aufgrund der anhaltenden Immobilienkrise die lukrativen Einnahmen aus Landverkäufen. Verschärft wird ihre Finanznot aber auch durch den harten Preiswettbewerb in wettbewerbsintensiven Industrien. Denn Unternehmen, die keine Gewinne erzielen, bezahlen wenig oder gar keine Steuern. Ein weiterer Teufelskreis.

Mehr: BYD das neue „Evergrande“? Wie sich der harte Preiswettbewerb auf Chinas Autohersteller auswirkt

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