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Beyond the obviousEuropa riskiert im globalen Innovationsrennen den Absturz

China produziert Patente wie am Fließband, die USA treiben radikal neue Technologien voran. Europa dagegen verspielt seine Chance auf die nächste Führungsrolle, meint Daniel Stelter. 26.10.2025 - 09:40 Uhr Artikel anhören
Der Autor: Daniel Stelter ist Gründer des auf Strategie und Makroökonomie spezialisierten Diskussionsforums beyond the obvious, Unternehmensberater und Autor. Jeden Sonntag geht auf www.think-bto.com sein Podcast online. Foto: Robert Recker/ Berlin

Die diesjährige Verleihung des Alfred-Nobel-Gedächtnispreises für Wirtschaftswissenschaften hat daran erinnert, welche Bedeutung wirtschaftliches Wachstum hat und wie schwer es ist, die ökonomische Dynamik zu erhalten. Die Fähigkeit und die Bereitschaft zur Innovation und zur Akzeptanz der daraus erwachsenden „schöpferischen Zerstörung“ sind entscheidend, wenn es darum geht, im globalen Wettbewerb zu bestehen.

Bekanntlich fällt Europa im globalen Technologie-Wettbewerb immer weiter zurück. Die Unternehmensberatung Kearney rechnet in einer Studie vor, dass zwischen 2019 und 2024 die jährlichen Risikokapitalinvestitionen in der EU nur bei durchschnittlich 68 Milliarden US-Dollar lagen, verglichen mit 110 Milliarden in Asien und 221 Milliarden in Amerika. China meldete zwischen 2019 und 2023 1,7-mal mehr Hightech-Patente als die USA und sogar 7,6-mal mehr als Europa.

Die Entwicklung Chinas ist dabei besonders beeindruckend. Mit der Industriestrategie „Made in China 2025“ verfolgt die chinesische Regierung das Ziel, das Land bis 2049 zur globalen Supernation zu entwickeln. Die technologische Souveränität hat dabei oberste Priorität. Im Jahr 2020 reichte China rund 70.000 Patente bei der Weltorganisation für geistiges Eigentum ein – deutlich mehr als die USA. Bei der Künstlichen Intelligenz ist der Abstand zu den USA bereits weit geringer, als die Rankings nahelegen.

Dezentrale Systeme sind überlegen

Der Vorsprung Chinas geht tief an die Wurzel: Seit zwanzig Jahren promovieren in China mehr Studenten in den MINT-Fächern als in den USA. 2025 werden es voraussichtlich 77.000 chinesische gegenüber 40.000 amerikanischen Doktoranden sein. Während europäische Schüler zunehmend die mathematisch anspruchsvollen MINT-Fächer meiden, setzt China auf eine rigorose naturwissenschaftliche Ausbildung.

Doch ist damit der Aufstieg Chinas zur führenden Innovationsnation gesichert? Professor Carl Frey von der Oxford-Universität ist in seinem neuen Buch „How Progress Ends: Technology, Innovation, and the Fate of Nations“ skeptisch: Zentralisierte Systeme wie in China eignen sich demnach hervorragend für das Aufholen und die Nutzung bestehender Technologien. So hat China bisher brillant beim Aufholen performt – bei Solartechnik, Elektrofahrzeugen und Künstlicher Intelligenz haben die Chinesen nicht die „Null zu eins“-Innovation geleistet, sondern Produktionsprozesse perfektioniert und Kosten gesenkt. Hingegen sind gemäß seinen Analysen dezentralisierte Systeme überlegen, wenn es darum geht, neue technologische Grenzen zu erforschen.

Beyond the obvious

Das Ende des Fortschritts

26.10.2025
Abspielen 01:21:33

Bleiben die USA also die überlegene Technologienation? Frey bezweifelt dies. Auch die USA bewegen sich auf eine Phase der Stagnation zu. Führende Technologiemächte der Vergangenheit – das Song-China, die Niederländische Republik oder das viktorianische Großbritannien – verloren letztlich ihre innovative Spitzenposition, weil Institutionen dabei versagten, sich an den technologischen Wandel anzupassen. Fördert Dezentralisierung die Erforschung neuer Technologien, so ist Bürokratie entscheidend für deren Skalierung.

Überbürokratisierte Planwirtschaft

Wenn diese Bürokratie aber in Form von Industriepolitik und staatlicher Steuerung überhandnimmt, folgt unweigerlich Stagnation. In Europa ist das bereits sichtbar, und auch in den USA verfestigen sich Strukturen, die Innovation behindern könnten. China wiederum kämpft bereits heute mit den Problemen einer überbürokratisierten Planwirtschaft, die Innovation ersticken könnte.

Will Europa aus dieser Entwicklung gestärkt hervorgehen, müsste es heute handeln. Konkret bedeutet das: weniger Bürokratie für Start-ups und Innovatoren, gleichzeitig aber starke europäische Institutionen für die Skalierung von Technologien. Europa braucht eine differenzierte China-Strategie, um Chancen zu nutzen und Risiken zu minimieren.

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Ob Europa die Kurve bekommt, entscheidet sich in den nächsten Jahren. Wir haben die Wahl zwischen dem Abstieg in die Bedeutungslosigkeit oder der Erneuerung unserer innovativen Kraft.

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