Staatsschulden: Frankreich steht schlechter da, als die Zahlen zeigen
Die Welt steht vor einer neuen Schuldenkrise. Laut jüngstem Bericht des Internationalen Währungsfonds (IWF) wird die globale Staatsverschuldung im Jahr 2025 rund 95 Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts erreichen – Tendenz weiter steigend. Bis 2030 könnte der Wert nahe 100 Prozent liegen.
Die IWF-Ökonomen warnen: „Der Trend der Staatsverschuldung ist unumkehrbar geworden, da das realwirtschaftliche Wachstum zu gering, die Inflation nicht ausreichend und die Bereitschaft zu Einsparungen weltweit gering ist. Die Haushaltsdefizite der Regierungen werden 2025 im Schnitt 5,1 Prozent des BIP betragen – und das über Jahre.“
Besonders dramatisch ist die Entwicklung bei unserem Nachbarn Frankreich. Noch vor 15 Jahren war das Land gleich tief verschuldet wie Deutschland. Nun liegt die Staatsverschuldung bei 113 Prozent des BIP und das Defizit bei gut sechs Prozent.
Doch das ist nur die halbe Wahrheit. In Wirklichkeit steht Frankreich noch schlechter da, als die offiziellen Statistiken suggerieren. Versteckte Pensionslasten werden quer durch alle Ministerien verteilt, sodass beispielsweise Bildungsausgaben auf dem Papier höher aussehen – während tatsächlich Milliarden an versteckten Versorgungsleistungen dahinterstehen.
Laut einer Studie des Institut des Politiques Publiques (IPP) werden rund 18 Milliarden Euro jährlich als Beamtenbezüge ausgewiesen, obwohl sie in Wahrheit nicht als Arbeitslohn, sondern für Beamtenpensionen ausgegeben werden.
Es entsteht der Eindruck, die Kosten eines französischen Beamten seien viel höher, obwohl sie zum Teil in Pensionsbudgets weitergeleitet werden. Hinzu kommt, dass so die Gesamtausgaben der Ministerien aufgebläht sind, doch eine bedeutende Menge davon wird fachfremd – eben für die Versorgung von Beamten im Ruhestand – verwendet anstatt für konkrete Bildungs- oder Verteidigungsprojekte.
Diese verzerrte Darstellung der Staatsfinanzen reduziert naturgemäß die Bereitschaft zu harten Einschnitten. Auf der anderen Seite drohen internationale Investoren – darunter sogar japanische Kapitalgeber, die jahrelang zu den wichtigsten Käufern französischer Staatsanleihen zählten – das Vertrauen zu verlieren.
Innerhalb von nur zwölf Monaten dürfte am 8. September die mittlerweile dritte Regierung an der Unfähigkeit, einen mehrheitsfähigen Konsolidierungskurs zu finden, scheitern. Politische Polarisierung und Reformverweigerung lähmen das Land. Der Spread, die Differenz der Zinsen auf zehnjährige französische Staatsanleihen gegenüber deutschen, ist entsprechend wieder gestiegen.
Wir sollten nicht zu arrogant auftreten
Allzu arrogant sollten wir Deutschen allerdings nicht nach Frankreich blicken. Die „schwarze Null“ war keine politische Leistung, sondern Folge der What-ever-it-takes-Politik der Europäischen Zentralbank (EZB), die die Zinskosten gedrückt und über den schwachen Euro die Exporte beflügelt hat.
Frankreichs Insolvenzverschleppung
Mit Haushaltsdefiziten konfrontiert, tut sich die schwarz-rote Koalition nun aber schwer, die erforderlichen Einschnitte zu realisieren. Da über „Sondervermögen“ und kreditfinanzierte Aufrüstung die deutschen Staatsschulden im Eiltempo steigen, während die dringenden Reformen ausbleiben, ist es nicht verwegen anzunehmen, dass Deutschland in zehn Jahren vor ähnlichen Problemen steht wie Frankreich heute.
Zu echten Reformen unfähig, werden die politisch Verantwortlichen zu einem alten Mittel greifen: finanzieller Repression. Niedrige oder politisch manipulierte Zinsen bei gleichzeitig erhöhter Inflation entwerten die Staatsschulden schleichend – zugleich verlieren Sparer real an Vermögen. Donald Trump ist nämlich keineswegs allein in seinen Bemühungen, die Unabhängigkeit der Notenbank zu schleifen – er geht nur besonders brutal vor. Auch in Europa ist die angebliche Unabhängigkeit der EZB mit vielen kreativ benannten Programmen zur Stabilisierung des Euros längst brüchig geworden.
Dabei ist es durchaus möglich, Staatshaushalte zu sanieren. Schweden bewältigte in den 1990er-Jahren eine dramatische Banken- und Schuldenkrise durch Transparenz, harte Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen und schaffte so die Grundlage für deutliches Wirtschaftswachstum.
Ein Defizit von über elf Prozent vom BIP wurde innerhalb von zwei Jahren zu einem Überschuss. Gefragt nach dem Rezept, erklärte der damalige sozialdemokratische Regierungschef Göran Persson später: gleich nach der Wahl mit der Sanierung beginnen. Eine Lektion, die Friedrich Merz vergessen hat.
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Erstpublikation: 31.08.2025, 10:40 Uhr.