China: Robotaxi-Anbieter rüsten sich für die Expansion
Guangzhou, Wuhan. Ein BMW-Fahrer drängelt sich auf der Wuhaner Stadtautobahn dreist vor einem fahrerlosen Baidu-Taxi in die Spur. Das Taxi hupt, bremst abrupt. Eine weibliche Computerstimme beruhigt: „Es ist ein bisschen ruckelig. Keine Sorge, ich bin bei dir.“
In keiner anderen Stadt in China sind Robotaxis im Straßenverkehr so gegenwärtig, wie im zentralchinesischen Wuhan. Zwar gibt es auch in Städten wie Peking, Shanghai, und Shenzhen Pilotzonen, doch in Wuhan können die selbstfahrenden Taxis bereits in weiten Teilen des Stadtgebiets genutzt werden.
Der Tech-Konzern Baidu mit seinem Robotaxi-Dienst Apollo Go vermeldete jüngst, dass allein in der letzten Oktoberwoche 250.000 bezahlte Fahrten gebucht worden seien. Der führende US-Anbieter Waymo, hinter dem die Google-Mutter Alphabet steht, hatte dieses Bestellvolumen im April erreicht. Und schon bald dürften die Robotaxi-Dienste in Chinas Großstädten noch breiter angeboten werden.
So wollen die Anbieter Pony.ai und We Ride aus dem südchinesischen Guangzhou am Donnerstag an der Hongkonger Börse umgerechnet mehr als eine Milliarde Euro einsammeln, um ihre weitere Expansion zu finanzieren.
Und He Xiaopeng, Gründer des E-Auto-Start-ups und Volkswagen-Partners Xpeng, kündigte am Mittwoch an, im kommenden Jahr gleich drei selbst entwickelte Robotaxi-Modelle auf den Markt zu bringen. Sein Unternehmen wolle dazu beitragen, den Dienst zu skalieren und kommerzialisieren, sagte He vor internationalen Journalisten in Guangzhou. Die Technologie entwickle sich schneller als erwartet.
Das Auto als emotional stabiler Fahrer
Lange war ich überzeugt, dass sich selbstfahrende Taxis in Chinas Millionenmetropolen nicht durchsetzen werden. Denn hier gilt das Gesetz des Stärkeren oder des Dreisteren, erkennbar an der Zahl der Beulen am Fahrzeug. Bei SUVs scheint die Vorfahrt in der Hardware implementiert zu sein. Wer bremst, verliert. Gerüchten zufolge wurde Wuhan als Experimentierfeld für die Autonomie ausgewählt, weil die Fahrer hier besonders forsch unterwegs sind.
Der Fahrstil werde an die jeweils üblichen lokalen Gepflogenheiten angepasst, hieß es bei einem Termin bei Pony.ai. Man wolle dem Fahrgast das Gefühl geben, mit einem „emotional stabilen, erfahrenen Fahrer“ unterwegs zu sein. Das würde man sich auch bei manch regulärer Fahrt mit einem Taxi-Dienst wünschen.
Die Testfahrt mit dem Baidu-Robotaxi in Wuhan fühlt sich anfangs an, als wäre man bei einem etwas unsicheren Fahranfänger eingestiegen. Das Fahrzeug beschleunigt und bremst stärker als notwendig, nicht nur einmal wird beim Abbiegen nachjustiert.
Die anfängliche Anspannung weicht jedoch schnell, nach fünf Minuten ertappe ich mich dabei, E-Mails auf dem Handy zu checken. Erstaunlich reibungslos fügt sich das Robotaxi in den dichten Straßenverkehr ein. Auf bis zu 74 km/h beschleunigt das Fahrzeug dabei – etwas mehr als laut Geschwindigkeitsbegrenzung erlaubt. Das müssen diese lokalen Fahrgewohnheiten sein.
Das ein oder andere Mal zögert das Fahrzeug etwas länger, um die Spur zu wechseln oder zu überholen. Doch den meisten Fahrgästen, die ohnehin pausenlos auf ihrem Smartphone durch Kurzvideos scrollen, fällt das womöglich gar nicht auf.
Weit billiger als reguläre Taxis
Für viele dürfte am Ende der Preis für die Fahrt entscheidend sein, und der ist deutlich günstiger als bei einem Taxidienst mit menschlichem Fahrer. In Wuhan kostet eine 30-minütige Fahrt mit dem Robotaxi umgerechnet nicht einmal fünf Euro. Das ist selbst für chinesische Verhältnisse sehr günstig.
Schätzungen der Schweizer Investmentbank UBS zufolge könnten bis 2030 in den vier größten chinesischen Städten bis zu 300.000 fahrerlose Taxis unterwegs sein, bis Ende der 2030er-Jahre schon vier Millionen.
Doch nicht nur in China soll das Geschäft wachsen: Mitte Oktober hatte Pony.ai bekannt gegeben, zusammen mit dem französischen Autokonzern Stellantis fahrerlose Taxis in Europa zu erproben. Erste Tests sollen in Luxemburg stattfinden. We Ride hat zusammen mit Renault in Frankreich bereits eine Lizenz erhalten, um regional selbstfahrende Busse einzusetzen. Auch Xpeng will seine Robotaxis mit Partnern global vermarkten.
Die ambitioniertesten Pläne hat Baidu: In Kooperation mit dem US-Fahrdienstleister Lyft will der chinesische Tech-Konzern schon ab dem kommenden Jahr sein Robotaxi RT6 nach Deutschland und Großbritannien bringen, wenn die Behörden es zulassen. Die Nachfrage dürfte nicht nur angesichts der hohen Taxipreise in Deutschland durchaus vorhanden sein.