Finanzpaket: Dem Bund drohen Zinsausgaben von bis zu 400 Milliarden Euro
In dieser Woche wollen Bundestag und Bundesrat mit der verfassungsändernden Mehrheit von CDU/CSU, SPD und Grünen die finanzpolitischen Beschlüsse treffen, auf die sie sich in den vergangenen Wochen geeinigt haben. Die Schuldenbremse wird damit so stark unterlaufen, dass sie in ihrer ursprünglichen Form Geschichte ist. Es ist ein Begräbnis zweiter Klasse.
Ausgaben für Verteidigung, die Nachrichtendienste, den Zivil- und Bevölkerungsschutz und die Hilfen (derzeit noch allein) an die Ukraine, die über einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) liegen, werden künftig nicht mehr auf die Schuldenregel angerechnet. Bis auf die Ukrainehilfen handelt es sich hier um Daueraufgaben des Staates, öffentliche Güter also, die er mit den laufenden Einnahmen zu finanzieren in der Lage sein muss.
Hinsichtlich der Verteidigungsausgaben gibt es im Wesentlichen zwei Ausnahmen, für die eine Finanzierung über Schulden sinnvoll ist: der Kriegsfall und eine rasche Aufrüstung, um den Kriegsfall zu verhindern. Letzteres kann heute ins Feld geführt werden. Eine dauerhafte Ausnahme von der Schuldenbegrenzung lässt sich, bei aller Anerkennung des strategischen Signals an Russland, dadurch aber nicht begründen.
Hinzu kommt ein Sondervermögen für die Infrastruktur in Höhe von 500 Milliarden Euro und einer Laufzeit von zwölf Jahren, wovon 100 Milliarden Euro für die Länder und 100 Milliarden Euro für den Klima- und Transformationsfonds (KTF) vorgesehen sind. Schließlich sollen die Länder die Möglichkeit erhalten, sich in Höhe von 0,35 Prozent des BIP anstelle der derzeit geltenden strukturellen schwarzen Null zu verschulden.
In der Tat bedarf die Infrastruktur in Deutschland einer erheblichen Instandsetzung und Erweiterung. Auf Bundesebene ließen sich diese Mittel im Rahmen der heute noch geltenden Schuldenbremse durchaus mobilisieren, wenn die Bundesregierung die Kraft für eine Konsolidierung aufbrächte.
Hinzu kommt, dass die eigentlichen Hemmnisse für öffentliche Investitionen nicht beseitigt werden. Weiterhin werden Regulierungen, langwierige Genehmigungsverfahren und die Fehlanreize im Föderalismus den Ausbau der Infrastruktur hemmen. So müssen die Bürgerinnen und Bürger darauf hoffen, dass die Länder einen Teil der Mittel an die Kommunen weitergeben. Und 100 Milliarden Euro für den KTF sind im Wesentlichen Subventionen für die deutsche Wirtschaft.
Spielraum für die kommenden vier Jahre
Die zukünftige Bundesregierung sichert sich damit erheblichen Spielraum für die kommende Legislaturperiode, denn die mit diesen Mitteln zu finanzierenden Maßnahmen werden erst langsam anlaufen. Auf gut 20 Milliarden Euro könnte sich der für Konsum- und Sozialausgaben gewonnene Spielraum im Jahr 2025 summieren.
Was sind die finanzpolitischen Konsequenzen? Geht man von einem nominalen Wachstum des BIP von 2,5 Prozent und Verteidigungsausgaben in Höhe von drei Prozent des BIP aus, so dürften sich die Verteidigungsausgaben in einem Zeitraum von zehn Jahren auf 950 Milliarden Euro oder 85 bis 110 Milliarden Euro pro Jahr belaufen. Das Sondervermögen Infrastruktur dürfte im selben Zeitraum etwa 50 Milliarden Euro pro Jahr an Schulden bedeuten. Bund und Länder tragen jeweils kumuliert mit 170 Milliarden Euro bei, also 15 bis 19 Milliarden Euro pro Jahr.
Schuldenquote steigt auf 90 Prozent
In der Summe kommen in einem Zehn-Jahres-Zeitraum so 1,8 Billionen Euro oder 165 bis 200 Milliarden Euro pro Jahr zusammen. Die Schuldenquote würde bei einem unterstellten nominalen Wachstum von 2,5 Prozent um rund 30 Prozentpunkte auf gut 90 Prozent des BIP steigen. Bliebe der Zins für zehnjährige Staatsanleihen über diesen zehnjährigen Zeitraum bei 2,5 Prozent, dann schlügen Zinsausgaben von 250 Mrd. Euro allein beim Bund zu Buche. Bei einem Zins von vier Prozent wären es rund 400 Mrd. Euro.
Das Zinsniveau für Bundesanleihen mit zehnjähriger Laufzeit stieg jedoch aufgrund der Ankündigung dieser neuen Finanzpolitik von 2,5 Prozent auf aktuell 2,9 Prozent an. Dies dürfte vor allem der Erwartung geschuldet sein, dass der Staat den Markt mit Anleihen fluten wird und dafür höhere Renditen bieten muss. Manche sehen in der begleitenden Wechselkursentwicklung und dem Anstieg der Aktienkurse im Dax eher Anzeichen für einen positiven Wachstumseffekt auf die Zinsen.
Das ist jedoch nicht ausgemacht, denn die defizitfinanzierten höheren Ausgaben müssten dafür dauerhafte Wachstumseffekte haben, die über das kurzfristige konjunkturelle Strohfeuer hinausgehen. Dies gelingt dann, wenn damit Innovationen und technischer Fortschritt verbunden sind. Ohne Strukturreformen, welche die derzeitigen Investitionshemmnisse beseitigen, wird dies nicht gelingen.