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SchuldenMerz dreht die Reformen der Regierung Schröder vollständig zurück

Die neue schwarz-rote Bundesregierung geht mehrere Schritte in Richtung einer Wirtschafts- und Finanzverfassung, die man hinter sich zu wissen glaubte, meint Lars Feld.Lars P. Feld 10.03.2025 - 11:41 Uhr Artikel anhören
Für den Ökonomen Lars Feld hat sich die Union bei ökonomisch besonders fragwürdigen Unterfangen durchgesetzt. Foto: Patrick Seeger/dpa Foto: dpa

Eine intensive Woche liegt hinter den koalitionswilligen Spitzen von Union und SPD. Noch vor dem Zusammentreten des neu gewählten Bundestages wollen die zukünftigen Koalitionäre, gemeinsam mit den Grünen, ein Sondervermögen für die Infrastruktur in Höhe von 500 Milliarden Euro verabschieden, Verteidigungsausgaben, die ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) übersteigen, von den Beschränkungen der Schuldenbremse ausnehmen, sowie den Ländern, statt eines strukturell ausgeglichenen Haushalts wie bisher, eine Verschuldungsmöglichkeit von 0,35 Prozent des BIP einräumen.

Zudem soll eine weitere Ausnahme für staatliche Investitionen in der Schuldenbremse bis Ende dieses Jahres auf Basis der Empfehlungen einer Expertenkommission eingerichtet werden.

Da dies im neuen Bundestag mit Zweidrittelmehrheit zu beschließen wäre, muss die Bundesregierung um Stimmen der Linken oder der AfD werben. Wie dies angesichts von Brandmauern oder Unvereinbarkeitsbeschlüssen geht, bleibt das Geheimnis der CDU/CSU.

Zum Ende der Woche wurde deutlich, wie die Koalitionäre den neu geschaffenen Finanzierungsspielraum auszufüllen gedenken. Beide Seiten haben für sie jeweils wichtige Punkte realisieren können – die Union in der Migrations- und Sicherheitspolitik, die SPD in der Wirtschafts-, Finanz-, Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik.

Diese Einschätzung bezieht sich auf die konkretisierten Punkte des Sondierungspapiers, nicht auf Prüfaufträge, wie etwa beim Wahlrecht, oder vage Willensbekundungen, wie zur Reform der Einkommens- und Unternehmensbesteuerung.

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Nein der Grünen – platzt das schwarz-rote Schuldenpaket?

10.03.2025
Abspielen 30:10

Durchgesetzt hat sich die Union zudem noch bei ökonomisch besonders fragwürdigen Unterfangen wie der Vervollständigung der Mütterrente, der Absenkung des Mehrwertsteuersatzes für Speisen im Restaurant auf sieben Prozent und der Wiedereinführung der Agrardieselsubvention. Es ist nicht gewagt, hier von einem Schulterschluss der CSU mit der SPD zu reden, die dafür die Haltelinie von 48 Prozent beim Rentenniveau erhält.

Damit sind wir beim Kernproblem der im Sondierungspapier enthaltenen Wirtschafts- und Finanzpolitik: Die Reformen der Regierung Schröder und des ersten Kabinetts Merkel werden nicht nur vollständig zurückgedreht; die neue Bundesregierung geht mehrere Schritte in Richtung einer Wirtschafts- und Finanzverfassung, die man hinter sich zu wissen glaubte.

Kommentar

Die Träume von einer echten Wirtschaftswende sind geplatzt

Thomas Sigmund

Die Schuldenbremse wird so stark aufgebohrt, dass sie danach nicht mehr wiederzuerkennen sein wird. Sie ist somit Geschichte. Der Nachhaltigkeitsfaktor in der gesetzlichen Rentenversicherung wird ausgehebelt sein. Die subventionslastige Industriepolitik der Ampelregierung wird fortgesetzt. Die Regierung zielt auf einen Mindestlohn von 15 Euro ab. Kurzum: Marktwirtschaftliche Reformen bleiben Mangelware in den kommenden vier Jahren.

Mancher mag hoffen, dass die Entscheidungen zur Abschaffung der Schuldenbremse im Bundestag in dieser Woche noch Korrekturen erlauben, weil die Grünen zustimmen müssen, oder in den Koalitionsverhandlungen günstigere Konkretisierungen zustande kommen als im Sondierungspapier angedeutet. Es steht beispielsweise keine Formulierung darin, dass ein Industriestrompreis eingeführt würde, sondern dass eine Ausweitung der Regelungen der Strompreiskompensation auf weitere energieintensive Branchen angestrebt wird – allerdings unter dem Stichwort Industriestrompreis!

Die Regierung kommt den Ökonomen nicht entgegen

Es steht keine Anhebung des Mindestlohns auf 15 Euro an der Mindestlohnkommission vorbei in diesem Sondierungspapier, nur dass sie sich im Rahmen einer Gesamtabwägung sowohl an der Tarifentwicklung als auch an 60 Prozent des Bruttomedianlohns von Vollzeitbeschäftigten orientieren wird. Dies entspricht der Geschäftsordnung der Mindestlohnkommission.

Es könnte sich in der Tat eine Anhebung des Mindestlohns auf 15 Euro mit diesen Kriterien ergeben. Die neue Bundesregierung ruft aber schon einmal in Richtung der Kommission: Wehe, wenn nicht!

Nein, die neue Bundesregierung wird den wirtschaftspolitischen Beratern, die jetzt gerade „Foul“ rufen, nicht entgegenkommen. Hier gilt das Einmaleins der politischen Ökonomie: Der kleinere Koalitionspartner legt die Preise für die Regierungsbeteiligung fest, und das ist nun einmal die SPD. Das Sondierungspapier ist klassisches Ergebnis eines Stimmentauschs, in dem ein Wünsch-dir-was dominiert. Und Pacta sunt servanda!

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Hinter das Sondierungspapier kommt man nicht zurück. Politik ist eben kein Optimierungsproblem für Ökonomen. Es ist ein Geschäft, manchmal zulasten Dritter, hier der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler angesichts zu erwartender Staatsschulden von über 90 Prozent des BIP.

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