Sicherheit: Soll Deutschland Atommacht werden? Das sollte uns beschäftigen

Die Münchner Sicherheitskonferenz gilt heute schon als historisch. Grund dafür sind die Einlassungen der amerikanischen Administration zur zukünftigen Sicherheitsarchitektur in Europa, insbesondere die Vorschläge zur Beendigung des Kriegs in der Ukraine. Die Europäer, vor allem Deutschland, müssten mehr für Verteidigung ausgeben, um sich besser selbst schützen zu können. Die USA würden ihre Sicherheitsgarantie nicht in der jetzigen Form und im jetzigen Ausmaß beibehalten können.
Die dadurch ausgelöste Debatte in Europa, vor allem aber in Deutschland verläuft ziemlich schrill, nicht zuletzt angesichts der bevorstehenden Bundestagswahlen. Hinsichtlich der Positionierung europäischer Staaten zum Ukrainekrieg sind Aufregung und Eile verständlich. Hinsichtlich der Frage, wie die zukünftige Sicherheitsarchitektur des Westens aussehen sollte, sind sie es nicht.
Überhaupt nicht im Vordergrund sollte die Finanzierungsfrage sein. Fast alle Debatten der vergangenen Tage landen aber leider ganz schnell dort.
Erhalten die USA ihren nuklearen Schutzschirm?
Abgesehen davon, wie sich die Europäer im Ukrainekrieg verhalten wollen, muss es erstens um die zukünftige Rolle der USA in der Nato gehen, vor allem um strategische Fragen, darüber hinaus aber um die Sicherstellung der Verteidigungsfähigkeit, wenn sich die USA weitgehend aus Europa verabschiedeten. Zögen die USA ihren nuklearen Schutzschirm über Europa zurück, wäre zu diskutieren, wer diesen Schutz dann bieten kann. Frankreich und Großbritannien werden dies nicht schaffen.
Deutschland müsste dann darüber diskutieren, ob es Atommacht werden wollte. Weder die Bevölkerung noch die Politik in Deutschland haben darauf Appetit. Und vielleicht ist die Frage obsolet, wenn die USA zu ihren nuklearen Verpflichtungen in Europa stehen. Gleichwohl muss uns dies beschäftigen.
An zweiter Stelle steht die Stärke der konventionellen Verteidigungsfähigkeit. Bislang sind die europäischen Volkswirtschaften aus einer Reihe von Gründen nicht in der Lage, rasch aufzurüsten. Schon die Kapazitäten der europäischen Rüstungsindustrie reichen dafür nicht aus. Eine Kapazitätsausweitung ist angesichts demografischer Probleme in den meisten Staaten Europas nicht leicht zu bewältigen.
Dies gilt selbst dann, wenn vornehmlich Rüstungsgüter aus den USA gekauft werden. Denn die Rüstungsindustrie ist ähnlich wie andere Industrien arbeitsteilig in internationalen Wertschöpfungsketten organisiert. Mit einem klaren Konzept der Aufrüstung würden die Anreize zur Kapazitätsausweitung steigen. Tempo kann jedoch wichtig sein.
Erst an dritter Stelle steht die Finanzierung. Im Grundsatz ist Landesverteidigung ein öffentliches Gut und sollte auf der zentralstaatlichen Ebene aus laufenden Steuereinnahmen finanziert werden. Im Kriegsfall ist die Finanzierung durch Staatsschulden gerechtfertigt.
Entscheidend ist der Neubeginn der transatlantischen Beziehungen
Eine Schuldenfinanzierung ist zudem dann sinnvoll, wenn sehr schnell ein hoher Finanzbedarf entsteht, um eine hinreichend große Abschreckungswirkung gegenüber einem potenziellen Aggressor zu erzielen. Eine so massive kurzfristige Belastung des Staatshaushalts würde bei Steuerfinanzierung zu hohen Zusatzlasten der Besteuerung, also zu Verzerrungen führen, die über die Zeit geglättet werden sollten.
Für Deutschland bedeutet dies: In allererster Linie kommt es auf einen Neubeginn in den transatlantischen Beziehungen an. Die USA brauchen Entlastung von europäischer Seite, nicht zuletzt von Deutschland, weil ihre Rolle als Weltpolizist sie überfordert. Spätestens seit der Ausrufung der Zeitenwende erfordert dies Aufrüstung, allerdings endlich eine glaubwürdige. Die Neudefinition der transatlantischen Beziehungen ist in der Nato mit den Partnerstaaten unter Berücksichtigung der strategischen Fragen und des nuklearen Schutzes zu leisten.
Solange die Bedrohung durch Russland nicht konkret und akut ist, sollte die Aufrüstung aus laufenden Steuermitteln finanziert werden. Schuldenfinanzierte Verteidigungsausgaben lassen sich nicht dauerhaft rechtfertigen. Dies trifft auf eine schwindende Bereitschaft der Anleihegläubiger. Deutschland ist davon weit genug entfernt; andere europäische Staaten sind es nicht. Und dies muss Deutschland als wichtigster Haftungsgeber in der Europäischen Währungsunion berücksichtigen.






Eine Finanzierung durch neue Staatsschulden bietet sich daher nur für eine schnelle, aufgrund akuter Bedrohungslage erforderliche Aufrüstung an. Ansonsten muss diese durch Umschichtung der Ausgaben, Abbau von Steuervergünstigungen oder durch Steuererhöhungen finanziert werden.
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