EU-Kolumne: „Patrioten für Europa“ – Orbans neue Kampfansage an die EU

Pünktlich zum Beginn der ungarischen EU-Ratspräsidentschaft hat Ministerpräsident Viktor Orban am Wochenende eine Kampfansage an die Europäische Union (EU) gerichtet. Zusammen mit Herbert Kickl von der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) und Andrej Babis von der tschechischen ANO trat er in Wien auf und kündigte eine neue rechte Gruppierung im Europaparlament namens „Patrioten für Europa“ an.
Das Programm des Bündnisses ist altbekannt: Die Nationalstaaten sollen gegenüber Brüssel aufgewertet werden, die Ukrainehilfen sollen zurückgefahren werden ebenso wie der Klimaschutz. Diese Forderungen erheben Orban und andere rechtsnationale Politiker seit Jahren.
Es ist eine eigentümliche Ankündigung für einen Premier, dessen Regierung bis zum Ende des Jahres die Ministertreffen und Gipfel in der EU leiten wird – und dessen Leute in Brüssel versprochen haben, ein „ehrlicher Makler“ zwischen den EU-Staaten zu sein. Doch die Ankündigung passt zu Orban, der auf europäischer Ebene am liebsten den Quertreiber spielt.
Fraktionsgründung ist schwierig
Der Vorstoß bestätigt die Sorge von Brüsseler Diplomaten, dass Orban auch die Zeit der Ratspräsidentschaft für seine eigenen Machtspiele nutzen wird.
Der im EU-Rat isolierte ungarische Premier braucht dringend neue Verbündete. Seine Fidesz-Partei ist seit dem Rauswurf aus der Europäischen Volkspartei (EVP) vor einigen Jahren heimatlos.
Der Anschluss an eine der beiden bestehenden rechten Fraktionen, Europäische Konservative und Reformer (EKR) oder Identität und Demokratie (ID), wollte bislang nicht gelingen. Deren Anführerinnen Marine Le Pen und Giorgia Meloni haben die Aufnahme von Fidesz stets verhindert.
Deshalb versucht Orban nun, eine eigene rechte Fraktion im Europaparlament zu begründen. Ob ihm das gelingen wird, ist unklar. Denn er braucht mindestens 23 Abgeordnete aus sieben Parteien. Fidesz hat elf Abgeordnete, die ANO sieben, die FPÖ sechs. Zusammen kommen sie also auf 24 Sitze, es fehlen aber noch vier Parteien.
Am Dienstag will der Vorstand der portugiesischen Chega-Partei über einen Beitritt entscheiden. Der Chef der italienischen Lega, Matteo Salvini, hat ebenfalls Interesse signalisiert.
Weitere denkbare Verbündete wären osteuropäische Vertreter wie die polnische PiS von Mateusz Morawiecki oder die slowakische Smer von Premier Robert Fico. Auch die AfD ist wie die Fidesz heimatlos und immer noch auf der Suche nach Partnern.

In der Praxis ist eine Fraktionsgründung deutlich schwieriger als in der Theorie: Es gibt zwar etliche ungebundene rechte Abgeordnete im neuen Europaparlament, doch darunter sind viele fragwürdige Figuren, die hohes Skandalpotenzial haben. Deshalb hat auch die AfD es bisher nicht geschafft, eine eigene Fraktion zu gründen.
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Obendrein gibt es im rechten Spektrum große inhaltliche Widersprüche in zentralen Fragen. Beispielsweise sind Fidesz und FPÖ gegen die weitere Unterstützung der Ukraine, die PiS jedoch dafür. In der Fiskalpolitik gibt es die traditionellen nationalen Unterschiede zwischen Parteien aus Geber- und Nehmerländern.




Es wird daher spannend zu sehen, ob Orban oder die AfD es schaffen, eine dritte rechte Fraktion zu etablieren. Einige Tage haben sie noch Zeit, um die nötige Zahl zusammenzubekommen.
Es ist aber auch gut möglich, dass „Patrioten für Europa“ ein leerer Slogan bleiben wird. Er wäre dann ähnlich bedeutungslos wie das Motto der ungarischen Ratspräsidentschaft: „Make Europe Great Again“ hatte Orban dafür gewählt – eine Ableitung des US-Wahlkampfslogans „Make America Great Again“ seines politischen Vorbilds Donald Trump.
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