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EU-KolumneBidens Wirtschaftsnationalismus fordert die EU heraus

Amerikaner und Europäer dürfen den Subventionsstreit nicht eskalieren lassen. Ein Klimaschutz, der zum Kampf aller gegen alle wird, wird vor allem Verlierer produzieren.Moritz Koch 08.11.2022 - 11:22 Uhr Artikel anhören

Der Autor: Jede Woche analysiert Moritz Koch, Leiter des Handelsblatt-Büros in Brüssel, im Wechsel mit anderen Brüsseler Korrespondenten in der EU-Kolumne Trends und Konflikte, Regulierungsvorhaben und Strategiekonzepte aus dem Innenleben der Europäischen Union. Denn wer sich für Wirtschaft interessiert, muss wissen, was in Brüssel läuft. Sie erreichen ihn unter: koch@handelsblatt.com

Foto: Handelsblatt

Die Präsidentschaft von Joe Biden, darin besteht im vielstimmigen Brüssel weitgehend Einigkeit, ist ein Glücksfall für die Europäische Union. Ohne einen Transatlantiker im Weißen Haus wäre 2022 anders gelaufen. 

Das Comeback der USA als europäische Ordnungsmacht hat es den EU-Staaten ermöglicht, den russischen Atomdrohungen zu trotzen und die Ukraine in ihrem Abwehrkampf gegen Russland zu unterstützen. Hieße der US-Präsident nicht Biden, sondern Trump, stünde ganz Europa so da, wie es Heeresinspekteur Alfons Mais zu Kriegsbeginn der Bundeswehr attestierte: „mehr oder weniger blank“. 

Nun jedoch muss die revitalisierte transatlantische Partnerschaft einen ersten Stresstest bestehen. Im Sommer, während in der Ukraine gekämpft und in Deutschland über Panzerlieferungen gestritten wurde, haben Biden und seine demokratischen Parteifreunde im Kongress das größte wirtschaftspolitische Reformwerk seit der „Great Society“ von Lyndon Johnson in Kraft gesetzt. Ihr Ziel: die Rekonstruktion der amerikanischen Mittelschicht. 

Biden hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass seine Außen-, Wirtschafts-, sogar seine Klimapolitik vor allem dem Wohl der „arbeitenden Frauen und Männer der Vereinigten Staaten“ dienen soll. Die Europäer haben lange nicht erkannt, was das für sie bedeutet, auch weil der Krieg alle anderen Themen überdeckte. Umso größer ist jetzt die Empörung. Gegen die „sogenannten gleich gesinnten Partner“ in Washington wettert EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton.

Dabei tut die US-Regierung vordergründig, was die Europäer lange gefordert haben: Sie nimmt den Klimaschutz ernst. Allerdings wählen sie dafür einen anderen Weg als die Europäer mit ihrer CO2-Bepreisung. Amerika schüttet freizügig Subventionen aus und koppelt sie an die Bedingung, amerikanischen Stahl einzukaufen, amerikanische Mineralien einzusetzen und amerikanische Arbeitskräfte einzustellen. 

Der Marktliberalismus, der seit der Reagan-Ära die Washingtoner Politik bestimmt hat, schlägt um in eine dirigistische Wirtschaftssteuerung, die Industriepolitik und Protektionismus vereint. Selbst wenn Biden in zwei Jahren abgewählt wird – Bidenomics dürfte ihn überdauern, so wie die Reaganomics Ronald Reagan überdauert haben. 

Direkter Draht zwischen Washington und Brüssel

Bidenomics bedeuten Staatsmilliarden für Infrastruktur, Mikroprozessoren und klimaneutrale Technologien, kurz: Wirtschaftsnationalismus im grünen Gewand. Zusammen mit den deutlich niedrigeren amerikanischen Energiepreisen entsteht so ein Sog, der europäische Unternehmen in die USA zieht.

Biden hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass seine Außen-, Wirtschafts-, sogar seine Klimapolitik vor allem dem Wohl der „arbeitenden Frauen und Männer der Vereinigten Staaten“ dienen soll.

Foto: Reuters

Die EU feilt schon an „Gegenmaßnahmen“. Am Beispiel der Batterieherstellung wird in der Kommission gerade die Idee ausgetüftelt, die europäischen Umweltregulierungen so zu schärfen, dass sie faktisch Investitionen in Europa vorschreiben. 

Auch eine Klage vor der Welthandelsorganisation WTO behalten sich die Europäer vor. Befürchtungen, dass sich Bidens Buy-American-Agenda zum transatlantischen Handelskonflikt auswächst, sind deshalb wohlbegründet. 

>> Lesen Sie hier: Handelsstreit zwischen EU und USA vor der Eskalation – Paris fordert harte Reaktion

Allerdings ist noch Zeit, eine Eskalation abzuwenden. Was die aktuelle US-Regierung von ihren Vorgängern unterscheidet, ist das Bestreben, nicht nur die Beziehungen zu den EU-Mitgliedstaaten, sondern auch den Austausch mit den EU-Institutionen zu pflegen.

Bidens Sicherheitsberater Jake Sullivan steht in engem Kontakt mit Björn Seibert, dem Kabinettschef von Kommissionschefin Ursula von der Leyen. Die aufeinander abgestimmten Russlandsanktionen sind Ausdruck dieser Kooperation, nun soll es regelmäßige Gespräche über den Subventionsstreit geben. Das macht Hoffnung, dass sich am Ende zwei Einsichten durchsetzen.

Verwandte Themen US-Strafzölle USA Europäische Union Wirtschaftspolitik Russland Außenpolitik

>> Lesen Sie hier: USA und EU gehen im Batteriestreit aufeinander zu

Erstens, dass Klimaschutzbemühungen, die zum industriepolitischen Kampf aller gegen alle werden, vor allem Verlierer produzieren. Und zweitens, dass der erste großflächige europäische Landkrieg seit 1945 der falsche Zeitpunkt für ein transatlantisches Zerwürfnis ist. 

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