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GeoeconomicsDie Drohung Trumps offenbart die strategische Verletzbarkeit Europas

Die Europäer haben die Zeit nach dem Amtsantritt von Joe Biden nicht genutzt, um sich auf ein Szenario ohne den militärischen Schutzschirm der USA vorzubereiten. Jetzt wird es Zeit.Jana Puglierin 15.02.2024 - 14:08 Uhr
Donald Trump, ehemaliger US-Präsident und Bewerber um die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner: Wer nicht zahlt, wird nicht verteidigt. Foto: dpa

„Die Führung meiner Partei unterstützt mit überwältigender Mehrheit ein starkes, engagiertes Amerika und ein starkes transatlantisches Bündnis. Schauen Sie nicht auf Twitter, schauen Sie auf die Leute an der Macht. Schauen Sie auf mich und auf den Sprecher des Repräsentantenhauses Kevin McCarthy.“ Ich erinnere mich noch gut an diese Rede des Anführers der Republikaner im US-Senat, Mitch McConnell, auf der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) im Februar 2023.

Die amerikanische Delegation war so groß wie nie zuvor. Demokraten und Republikaner loben gleichermaßen die Beziehungen zu den Europäern in den höchsten Tönen, auch abseits der Hauptbühne.

Alle anwesenden Republikaner betonten gebetsmühlenartig, sie seien entschlossen, der Ukraine zu helfen. Gemeinsam feierten Europäer und Amerikaner im Bayrischen Hof einen transatlantischen Honeymoon – und den wiedererstarkten „Westen“.

Unmittelbar vor der diesjährigen MSC ist davon rein gar nichts mehr zu spüren. Kevin McCarthy ist schon lange nicht mehr Sprecher des Repräsentantenhauses. Er wurde mit den Stimmen von ultrakonservativen Republikanern gestürzt und durch „MAGA Mike Johnson“ ersetzt, wie Donald Trump ihn in Anspielung an seinen Slogan „Make America Great Again“ wohlwollend nennt.

Johnson hat bereits klargestellt, dass er das gerade vom Senat verabschiedete, 95 Milliarden Dollar schwere nationale Sicherheitspaket zur Unterstützung Israels, der Ukraine und anderer Verbündeter der USA rundheraus ablehnt und nicht die geringste Absicht hat, es im Repräsentantenhaus durchzusetzen.

Schon sehr bald könnten die USA als Hauptunterstützer der Ukraine gänzlich ausfallen – und das in einer Situation, in der die Ukraine nicht weniger, sondern deutlich mehr Unterstützung braucht, um zu bestehen.

Trumps Äußerungen haben die Europäer durchgerüttelt

Trumps jüngste Äußerungen über die Nato und seine Androhung, er werde als US-Präsident Russland „sogar dazu ermutigen zu tun, was auch immer zur Hölle sie wollen“, haben die Europäer gründlich durchgerüttelt. Auch wenn Trump selbst nicht zu Gast bei der MSC sein wird – die Aussicht auf seine erneute Wahl zum mächtigsten Mann der Welt wird die Debatten auf den Fluren bestimmen.

>> Lesen Sie hier: Zweifel an der Führungsrolle der USA wachsen nach Trumps Attacken

Jetzt zeigt sich, dass die Europäer die Jahre seit dem Amtsantritt Joe Bidens nicht ausreichend genutzt haben, um sich auf ein Szenario vorbereiten, in dem die USA ihr Engagement in Europa nicht mehr als ein zentrales amerikanisches Interesse betrachten. Mit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine und der darauffolgenden entschlossenen Reaktion der Biden-Regierung haben hierzulande viele ausgeblendet, dass der Krieg zwei grundsätzliche Trends in den USA nicht verändert hat – nämlich die grundsätzliche Refokussierung der amerikanischen Außenpolitik auf Asien und die tiefe innere Spaltung der USA in der Frage, ob sie weiterhin in die Verteidigung Europas investieren sollen.

Dr. Jana Puglierin ist Head of Office and Senior Policy Fellow am European Council on Foreign Relations (ECFR). Foto: Handelsblatt

Mehr als dankbar haben die Europäer hingenommen, dass die USA wie in so vielen Krisen während des Kalten Kriegs die Führung übernahmen und enorme Ressourcen zur Verfügung stellten. Zwar sind die Verteidigungsausgaben in vielen Teilen Europas nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs gestiegen.

Dennoch „erfolgt die Verteidigungsplanung weiterhin größtenteils isoliert“, und viele europäische Länder „betrachten die Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich als Herausforderung, ziehen sie nur in Betracht, wenn sie mit nationalen Plänen übereinstimmt, und entscheiden sich häufiger für nationale Lösungen oder Nicht-EU-Lieferanten“, wie die Europäische Verteidigungsagentur in ihrem „Coordinated Annual Review on Defence“ im November 2022 feststellte.

Die strategische Verletzbarkeit Europas ist schon lange offensichtlich

Noch steht nicht fest, dass Donald Trump im November 2024 die Präsidentschaftswahl in den USA gewinnt. Davon völlig unabhängig täten die Europäer gut daran, die Zeichen an der Wand richtig zu deuten: Die strategische Verletzbarkeit Europas ist schon lange offensichtlich, und einzig und allein die Europäer selbst können daran etwas ändern.

>> Lesen Sie hier: Verteidigungspolitiker warnen vor leichtfertiger Atomwaffen-Debatte

Verwandte Themen USA Donald Trump Ukraine Republikaner Joe Biden Polen

Das soeben wiederbelebte Weimarer Dreieck könnte jetzt der entscheidende Motor dafür sein. Mit der Regierung von Donald Tusk gibt es in Polen endlich wieder einen Ansprechpartner für die Bundesregierung – und zwar einen, der die europäische Kooperation in der Sicherheitspolitik explizit sucht.

Die Bundesregierung darf dieses Momentum nicht verpassen und sollte alles daransetzen, dass Deutschland, Polen und Frankreich eine gemeinsame Agenda entwickeln: Für die Ukraine, für den zukünftigen Umgang mit Russland und für eine wirksame Verteidigung Europas, die zur Not auch ohne amerikanische Unterstützung funktioniert. Langsam wird die Zeit dafür wirklich knapp.

Mehr: Bei der europäischen Verteidigung dominieren nationale Reflexe

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