Geoeconomics: Eigentore des US-Präsidenten machen Peking zum Gewinner des Jahres 2025
Am Montagmorgen vergangener Woche gab Nicholas Ganjei, US-Staatsanwalt für den südlichen Bezirk von Texas, stolz seinen Coup bekannt. Er hatte ein Schmuggelnetzwerk aufgedeckt, das gegen US-Exportkontrollen verstoßen und die Hochleistungschips H100 und H200 des Herstellers Nvidia im Wert von mindestens 160 Millionen US-Dollar zwischen Oktober 2024 und Mai 2025 an China verkauft hat.
Ganjei sparte nicht mit klaren Worten zur Begründung: „Diese Chips sind die Bausteine der KI-Überlegenheit und ein integraler Bestandteil moderner militärischer Anwendungen. Das Land, das diese Chips kontrolliert, wird die KI-Technologie kontrollieren; das Land, das die KI-Technologie kontrolliert, wird die Zukunft kontrollieren. Nur wenige Stunden später verkündete US-Präsident Trump, dass er Präsident Xi informiert habe, H200-Hochleistungschips nach China zu liefern und dafür 25 Prozent Umsatzbeteiligung zu kassieren.
Trump warf damit einen zentralen Pfeiler der Chinapolitik, welche große Unterstützung von beiden Parteien im US-Kongress hat, über den Haufen. Vor dem Treffen mit Xi Ende Oktober in Südkorea hatten zentrale Kabinettsmitglieder den US-Präsidenten noch davon abgebracht, Hochleistungschips nach China zu liefern. Doch in den letzten Wochen setzte sich Nvidia-Chef Jensen Huang mit seinem direkten Draht zu Trump durch. Huang will China nicht als Markt verlieren, auch weil er fürchtet, dass US-Unternehmen wie Google und Amazon zukünftig auf eigene Chipentwicklungen für ihre Datenzentren setzen statt auf Nvidia.
Gegenleistung Chinas für Trumps unilaterale Abrüstung bei Exportkontrollen: keine. Es war das finale Geschenk des US-Präsidenten an Xi in einem Jahr, in dem der US-Präsident die Position der USA im Großmächtekonflikt mit China nachhaltig geschwächt hat. Schon kurz nach seiner Amtseinführung Ende Januar verpasste Trump der Maschinerie der amerikanischen Soft Power einen Todesstoß mit der Abwicklung von USAID und dem Ende vieler Demokratieförderungsaktivitäten.
Statt auf Gegenmacht gegen die Kommunistische Partei Chinas fokussiert sich die Trump-Regierung eher auf Regime-Change in Europa: die Zerstörung der EU als regulatorische Macht und die Förderung der Machtübernahme von Rechts-außen-Parteien in zentralen Mitgliedsländern. Gleichzeitig setzt Trump unter dem Motto „Drill, Baby, Drill“ auf fossile Energien, verabschiedet sich von Klimazielen und strich die Förderung für erneuerbare Energien zusammen. Das Resultat: Mit der Ausnahme von Fusionsreaktoren freie Bahn für Peking als global führende Technologiemacht der Energiewende.
Trump knickte auch im Zollkrieg ein
Trump zettelte einen Handelskrieg an und drohte China mit einem Zollsatz von bis zu 145 Prozent. Xi blieb standfest, stoppte den Kauf von US-Landwirtschaftsprodukten und drohte mit einem Stopp für den Export kritischer Rohstoffe, bei denen die USA von China abhängig sind. Das Ergebnis: Trump nahm die meisten seiner Zölle zurück für das Versprechen Pekings, Soja aus den USA zu kaufen und ein verschärftes Exportkontrollregime für kritische Rohstoffe für ein Jahr zu pausieren.
Statt mit Verbündeten entschlossen gemeinsame Sache zu machen gegen Pekings drohende industrielle Übermacht, überzieht Trump Partner in Asien und Europa mit wirtschaftlichen Drohungen und stellt die Verlässlichkeit der USA als militärischer Bündnispartner infrage. Aktuell lässt Trump Japan im Regen stehen gegen die Erpressungsversuche Pekings, nachdem die japanische Premierministerin sich klar gegen Zwangsmaßnahmen Chinas gegenüber Taiwan positioniert hatte.
Dies alles zeigt: Während Xi China systematisch für den Kampf mit den USA rüstet, investiert Trump nicht entschlossen in die langfristige Wettbewerbsfähigkeit der USA gegenüber Peking. Es gibt in der US-Regierung und im Kongress allerdings weiterhin sehr viele, die genau dies wollen. So sorgte der US-Handelsbeauftragte Jamieson Green dafür, wirtschaftliche Sicherheit gegenüber China zum zentralen Element von Handelsabkommen etwa mit Malaysia zu machen.
Er ist auch eine zentrale Kraft hinter den Bestrebungen, US-Abhängigkeiten bei kritischen Rohstoffen zu reduzieren. Jacob Helberg, stellvertretender US-Außenminister, startete letzte Woche die „Pax Silica“-Initiative für vertrauensvolle Kooperation mit Verbündeten bei zentralen Technologien wie KI. Und wenn Xi nächstes Jahr den Bogen überspannt, Versprechen nicht einlöst und Trump wie einen Verlierer aussehen lässt, könnte es mit der Trump-Xi-Bonhomie schnell vorbei sein. Die USA haben immer noch viele Mittel, China und seiner unter großem Druck stehenden Wirtschaft empfindlich zu schaden.
Deutschland und Europa wachen ob des drohenden China-Schocks auch langsam auf. Doch zum Jahresende steht erst einmal fest: Xi ist der Gewinner des Jahres 2025. Dank Trump.
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