Auktionsnachbericht: Nicht auf Wachstum programmiert
München. Wenn der Gesamtumsatz einer Auktion fast doppelt so hoch ist wie die Summe der Taxen, ist gute Stimmung angesagt. Das Stuttgarter Auktionshaus Nagel hat Anfang Dezember in seiner Präsenzauktion mit Kunst aus Asien brutto 5,8 Millionen Euro umgesetzt. Die untere Schätzsumme der 890 Lose lag bei drei Millionen Euro. Michael Trautmann, Nagels Asien-Experte, sagte es nach der Auktion frei heraus: „Das großartige Ergebnis haben wir der Akquise einer Handvoll besonderer, zum Teil kaiserlicher Emailleporzellane und zwei weiteren exzellenten Objekten aus einer alten europäischen Diplomatensammlung zu verdanken.“
Für Chinesen zählt immer noch die Marktfrische. Eine imposante, fein dekorierte Vase mit Emaillebemalung, hergestellt in den kaiserlichen Werkstätten des in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts regierenden Kaisers Yongzheng, vervielfachte die untere Taxe von 40.000 Euro und kostete letztlich 661.000 Euro (alle Erlöse inklusive Aufgeld). Eine kaiserliche Emailleschale um 1700 aus der Kangxi-Periode, ausgestattet mit Blüten auf rosa Fond, startete bei 15.000 Euro und wurde letztlich bei 156.000 Euro weitergereicht.
Chinesen steigen auch bei hohen Taxen ein, wenn ein Objekt die Insignien der Begehrlichkeit wie hohe Qualität und das Attribut kaiserlich besitzt. Für 400.000 Euro rief Nagel eine vergoldete Bronzefigur des Amitayus auf. Der mit Halbedelsteinen besetzte Buddha des unendlichen Lebens wurde letztlich das teuerste Kunstwerk der Auktion und ging für 842.000 Euro an einen Sammler in Shanghai. Und ein vorsichtig auf 9000 Euro taxiertes Paar bronzener Wächter-Löwen aus dem 18./19. Jahrhundert aus einer deutschen Privatsammlung verlangte einen Einsatz von 220.000 Euro.
Haupteinkäufer bei Nagel war in der Dezember-Auktion ein Chinese mit Wohnsitz in den USA. Der Sammler, welchen Pass er auch immer besitzt, kaufte für 2,5 Millionen Euro fast alle angebotenen Gefäße mit Emailmalerei und ein paar andere Objekte. Noch gab es zahlreiche Gegenbieter aus China. Ob die Transferbereitschaft aus Xis Reich in Richtung Europa so bleibt, ist fraglich. Ab Januar kontrolliert, so Trautmann, die chinesische Regierung jede Auslandsüberweisung ab 1000 Euro.
Den europäischen Asiatika-Markt bewegt zudem ein anderes Problem: Zahlungsverweigerung von chinesischen Käufern, nachdem Spitzenpreise gewährt werden. Laut Trautmann ist das in Stuttgart nur einmal passiert, bei einem sehr niedrigen sechsstelligen Erlös. Die Hinterlegung von Sicherheiten in Euro vor der Auktion war hier bei Hochkarätigem schon lange Praxis. Doch Nagel verschärft sie und kennzeichnet bereits im Katalog einige Nummern mit einem roten Versteigerungshämmerchen und signalisiert die Notwendigkeit eines Deposits bei Kaufambitionen. Das betrifft Lose, bei denen Nagel hohe Resultate erwartet, selbst bei niedrig taxierten Objekten. Ein Beispiel ist eine Famille-rose-Teekanne aus Porzellan. Auf 2000 Euro taxiert, für rund 26.500 Euro verkauft. „Das schützt unsere Einlieferer, denn beim erneuten Anbieten ist das Interesse oft abgekühlt“, sagt Michael Trautmann. Das dient im selben Maße dem Versteigerer. Ausbleibende Zahlungen erschüttern das Vertrauen der Eigentümer großer Sammlungen. Sie wechseln zur Konkurrenz.
Zahlungsprobleme mit einem chinesischen Käufer hatte unlängst Lempertz. Der erfolgreiche Bieter hatte im Sommer 2024 für über 700.000 Euro ein paar kaiserliche Jadesiegel von 1780 und weitere Objekte erworben. Wie Adrian Heindrichs, Lempertz’ Asiatika-Experte, auf Anfrage des Handelsblatts mitteilte, wurde das Geschäft erst vor einigen Monaten endgültig vollzogen. Dass das Kölner Haus dieses Mal eine schmale China-Offerte aufbot, hängt allerdings mit der schwierigen Warenbeschaffung zusammen. Denn Erfolg mit interessanten Objekten gab es auch am Rhein.
Für rund 214.000 Euro wechselte ein seltener, circa 700/800 Jahre alter Geyao-Keramik-Teller den Besitzer, zu dem ein Vergleichsstück im Palastmuseum in Peking existiert. Das Sechsfache der unteren Taxe erzielte mit rund 91.000 Euro eine nepalesische Figurengruppe des göttlichen Liebespaares Indra und Indrani. Gut absetzen konnte Lempertz mit Erlösen zwischen 7000 und 24.000 Euro eine Suite von zehn indischen Miniaturen aus einer norddeutschen Sammlung. „Lempertz wird diesen Bereich im Hinblick auf den wachsenden Markt in Indien weiterhin verfolgen“, so Heindrichs. Die nächste Tranche der Sammlung wird im kommenden Jahr angeboten. Insgesamt hat Lempertz in seiner Live-Auktion circa 1,5 Millionen Euro umgesetzt, die Zuschlagquote lag bei 61,5 Prozent.
Koller in Zürich setzte auf das anhaltende Interesse an buddhistischen Skulpturen. Zu den Spitzenverkäufen in diesem Bereich zählte eine tibeto-chinesische Bronze eines Bodhisattva für 100.000 Schweizer Franken sowie eine vielarmige Kupferfigur des Chakrasamvara aus dem Tibet des 15. Jahrhunderts für 80.000 Franken. Ein prächtiger japanischer Stellschirm aus dem 18. Jahrhundert erzielte 25.000 Franken.
Trotz guter Laune, die Realität ist ernüchternd. Der Handel mit Kunst aus China ist nicht auf Wachstum programmiert. Michael Trautmann sagt es im Handelsblatt-Gespräch nicht zum ersten Mal: „Es fehlt in ganz Europa die Ware.“ Das meiste der Verkäufe spielte sich bei Nagel, aber auch bei Lempertz in Köln und Koller in Zürich im unteren fünfstelligen Euro- beziehungsweise Schweizer-Franken-Bereich ab.