Bitcoin-Technologie: Japans Weg zur digitalen Unabhängigkeit von den USA und China
Während in Deutschland über Alternativen zu US-Tech-Giganten wie Microsoft und Amazons Cloud-Diensten debattiert wird, schafft Japan Fakten. Regierung, Start-ups und Großkonzerne bauen an einem Ökosystem für eine „souveräne“ digitale Infrastruktur.
Das amtliche Ziel ist ambitioniert: Japan soll „das weltweit freundlichste Land für die Entwicklung und Nutzung Künstlicher Intelligenz (KI)“ werden – allerdings zu eigenen Bedingungen.
Das jüngste Puzzlestück dieser Strategie ist die „Japan Smart Chain“. Das Projekt, initiiert von dem in Japan legendären Tech-Investor Joi Ito und dem kanadischen Tech-Unternehmer Russell Cummer, zielt darauf ab, eine Blockchain-Infrastruktur zu schaffen, die auf japanischen Servern läuft und japanischem Recht unterliegt – zum Wohle der Wirtschaft.
Diese dezentralisierte digitale Buchführung, bekannt als Grundvoraussetzung von Kryptowährungen wie dem Bitcoin, ist längst nicht nur ein Mittel für Spekulanten: Blockchains automatisieren Verträge, Lieferketten, Immobilientransfers und Geldflüsse mit unfälschbaren digitalen Signaturen. Und die Technik ist ein Schlüssel zum Einsatz von KI-Agenten, die keine Kundenkonten besitzen können, wohl aber digitale „Wallets“ in einer Blockchain.
Für Cummer ist die Logik zwingend: „Kritische Infrastruktur muss souverän sein“, erklärt er, sei es für KI oder eben die Blockchain. „Japanische Unternehmen werden nicht Vermögenswerte im Wert von 15 oder 20 Billionen Dollar auf einer Chain listen, die nicht im Kern japanisch ist.“
Von der Industrieförderung zum strategischen Projekt
Das Projekt fügt sich damit in die nationale KI-Strategie ein. Was 2019 als Industrieförderung begann, ist mit dem Boom der US-Marktführer zur strategischen Absicherung des Landes mutiert.
Unter der neuen Ministerpräsidentin Sanae Takaichi wurde dieser Kurs nochmals geschärft, Japan soll zur weltweiten KI-Spitze zählen. Dazu will die Regierung laut Miho Tanabe vom Daiwa Research Institute „ein inländisches KI-Ökosystem aufbauen und die internationale Wettbewerbsfähigkeit verbessern“.
Der Staat agiert dabei schon lange als Katalysator. Das Nationale Institut für Informations- und Kommunikationstechnologie (NICT) hat frühzeitig Sprachdatenbanken aufgebaut, die nun praktisch als Rohstoff für lokale KI-Modelle dienen. Zwar ist Japan bei der Anwendung von KI hinter den USA und Europa. Doch das Land verfügt über mehrere Technologiekonzerne, die daheim und global zu Antreibern der Digitalwirtschaft zählen.
Unternehmen werden zu Japans treibender Kraft
Der Technologieinvestor Softbank, selbst Großaktionär des ChatGPT-Konzerns OpenAI, baut Rechenzentren und treibt die Entwicklung von KI-Chips voran. Rivale Fujitsu setzt laut dessen Chief Technology Officer Vivek Majahan darauf, „Unternehmenskunden souveräne KI-Plattformen und souveräne Infrastruktur bereitzustellen“, inklusive des eigenen Sprachmodells Takane AI.
Auch NTT Data, einer der größten Betreiber von Rechenzentren weltweit, schickt sein eigenes, kleines Sprachmodell „Tsuzumi 2“ in den Wettbewerb gegen ChatGPT, Google und Anthropic. In Europa arbeiten die Entwickler mit dem französischen KI-Anbieter Mistral zusammen.
Geht es nach NTT Data, wird KI ab 2027 zunehmend größere Geschäftsprozesse selbst steuern. Spätestens dann kommt die hoheitliche Blockchain gelegen.
Das Problem in Japan: Die ersten Initiativen japanischer Banken, eine Blockchain für japanische Digitalwährungen aufzubauen, kommen nicht voran – gerade weil sich nun auch Japans Notenbank mit dem Thema beschäftigt. Die Banken warten daher ab, was die Notenbank so hinbekommt. Darin sehen Cummer und Ito, die mit ihrem Start-up AltX die Japan Smart Chain entwickeln, ihre Chance.
Ihr Angebot beruht auf der globalen Blockchain-Infrastruktur Ethereum, will aber keine lokale Abspaltung sein, sondern eine international kompatible Lösung, offen für Nutzer in aller Welt.
Im kommenden Jahr soll Japan Smart Chain in breiterem Rahmen getestet werden. Aber für Cummer ist die Idee bereits die Zukunft: Ähnlich wie die KI sich deglobalisiere, müssten auch Blockchains souverän werden. In diesem Prozess traut er Japan sogar eine globale Rolle zu – als neutraler Player.
Länder in aller Welt stünden zunehmend vor der Frage, ob sie Teil der amerikanischen oder chinesischen Einflusssphäre werden sollen, sagte Cummer. „Japan ist eine respektierte dritte Partei, was für verschiedene globale Anwendungsfälle ansprechend sein könnte.“ Wenn er mit seinem Projekt Erfolg hat, böten sich Unternehmen immerhin mehr Wahlmöglichkeiten.
Mehr: KI und Ethik – Wie eine Manga-Figur Japans Vorbild für KI-Entwicklung geworden ist