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GeoeconomicsEs wird Zeit für eine Weltraumzeitenwende

Der Weltraum ist zunehmend umkämpft. Die USA, China und andere sind schon da. Zeit für ein Umdenken auch in Deutschland.Claudia Major, Lisa Becker 18.08.2023 - 11:30 Uhr
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Die Zukunft hängt vom Weltraum ab, meinen Claudia Major und Lisa Becker.

Foto: dpa

Was haben Windräder und der Weltraum miteinander zu tun? Ziemlich viel – das zeigte der 24. Februar 2022, als infolge eines mutmaßlich russischen Cyberangriffs auf den Satellitennetzbetreiber Viasat die Steuerung Tausender Windradturbinen in Deutschland ausfiel.

Die Steuerung der Turbinen und das ukrainische Militär nutzen die gleichen Satellitendienste – und vieles deutet darauf hin, dass Russland vor dem Überfall auf die Ukraine Kommunikation und Aufklärung des ukrainischen Militärs stören wollte.

Zwar waren die Turbinen ein Kollateralschaden. Aber sie geben einen Vorgeschmack darauf, was bei einem Angriff auf deutsche oder europäische Satelliten passieren könnte. Und sie verdeutlichen die Komplexität und Bedeutung des Weltraums für das Funktionieren von Wirtschaft, Gesellschaft und Militär: Weltrauminfrastruktur ist kritische Infrastruktur; Weltraumtechnologien haben Dual-Use-Charakter, können also zugleich für zivile und militärische Zwecke genutzt werden; und man kann auch ohne eigenes militärisches Interesse im Weltall von den Interessen und Aktivitäten anderer betroffen sein.

Doch Deutschland ist darauf wenig vorbereitet. Zwar gibt es erste Schritte, unter anderem mit der Gründung eines Bundeswehr-Weltraumkommandos, aber Berlin löst sich nur zögerlich vom Bild einer rein wissenschaftlichen Rolle des Alls.

Zeit also für eine Weltraumzeitenwende. Konkret: Deutschland sollte in dieser strategischen Domäne (sicherheits)politisch handlungsfähiger werden. Es ist im deutschen Interesse, die ungehinderte Nutzung des Weltalls und den Schutz der eigenen Infrastruktur zu sichern und nicht zum Spielball im globalen Wettbewerb zu werden.

Weltraum für die Sicherheit – Sicherheit für den Weltraum

Gesellschaft und Wirtschaft sind zunehmend vom zuverlässigen Betrieb weltraumgestützter Dienste abhängig. Umgekehrt ist die Raumfahrt Innovationstreiber, da sie fast alle Technologiefelder, von Künstlicher Intelligenz bis Robotik, umfasst. Ihre Bedeutung steigt, das Militär ist unter anderem für Kommunikation, Aufklärung und Luftverteidigung auf den Weltraum angewiesen.

Dies zeigt nicht nur der russische Krieg gegen die Ukraine, das machen auch die Szenarien um Taiwan deutlich. Satelliten, die in vermeintlicher Sicherheit in weiter Ferne schweben, sind zum Angriffsziel geworden, genauso wie die erdgebundene Infrastruktur, etwa Bodenstationen für ihre Steuerung.

Russland, China, aber auch Indien fordern die US-Vorrangstellung im All heraus und bauen demonstrativ ihre offensiven Fähigkeiten aus, von orbitalen Waffen und erdgebundenen Raketen über Funkstörsysteme bis hin zu Lasern. US-Denkfabriken konstatieren eine zunehmende Aufrüstung im Weltraum. Er ist so umkämpft wie seit dem Kalten Krieg nicht mehr.

Satelliten, die in vermeintlicher Sicherheit in weiter Ferne schweben, sind zum Angriffsziel geworden.

Foto: dpa

Weltrauminfrastruktur ist also wichtig, fragil und zahlreichen Risiken ausgeliefert. Daher müssen Bedrohungen identifiziert und daraus Handlungsoptionen abgeleitet und technisch ermöglicht werden.

Deutschland ist eine der führenden Raumfahrtnationen Europas und betreibt neben eigenen Satelliten über die EU gemeinsame Konstellationen für Erdbeobachtung (Copernicus) und Navigation (Galileo). Mit Iris² kommt perspektivisch ein europäisches Starlink hinzu. Zudem ist in Ramstein das Nato-Weltraumzentrum angesiedelt.

Und doch hat Berlin dem Weltraum bislang wenig Aufmerksamkeit gewidmet: Die letzte Raumfahrtstrategie ist von … 2010. Während der Beitrag für die europäische Weltraumagentur letztes Jahr leicht anstieg, schrumpfte der für das nationale Raumfahrtprogramm.

Zum Glück zeigt die Nationale Sicherheitsstrategie vom Juni 2023 ein Umdenken: Sie thematisiert den Weltraum erstmals gesondert und nicht wie bisher mit dem Cyber- und Informationsraum – und kündigt eine Weltraumsicherheitsstrategie an.

Claudia Major ist eine deutsche Politikwissenschaftlerin und Forschungsgruppenleiterin für Sicherheitspolitik der Stiftung Wissenschaft und Politik.

Foto: Klawe Rzeczy, Getty, PR

Doch das ist ein spätes Debüt, denn Frankreich, Großbritannien, ja sogar Luxemburg haben schon eine. Die Nato hat 2019 den Weltraum zur operativen Domäne erklärt; die EU-Kommission hat 2023 eine Weltraumstrategie für Sicherheit und Verteidigung vorgelegt.

Diesen Rückstand heißt es nun aufzuholen und es gilt, die richtigen Akzente zu setzen, um nicht von den Entwicklungen überrollt zu werden.

Finanziell und politisch investieren

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Für Deutschland heißt das: das Weltall politisch aufzuwerten, um eine ressortübergreifende strategische Positionierung zu ermöglichen – und diese mit finanziellen Mitteln zu hinterlegen. Weltraumangelegenheiten, von kritischer Infrastruktur bis Verteidigung, sollten Chefsache werden und könnten im Bundeskanzleramt, zum Beispiel in Form eines Weltraumrats wie in den USA, angedockt werden.

Die Entwicklung und Diversifizierung von Fähigkeiten, gerade bei der Weltraumlageerkennung und europäischen Trägerraketenkapazitäten, sollte Priorität haben, um sie in den Dienst Europas und der Nato zu stellen und damit die nationale und europäische Sicherheit zu stärken. Denn die Zukunft hängt vom Weltraum ab – und dieser verändert sich schnell.

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