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Globale Trends„Künstliche Intelligenz wird uns nicht umbringen, aber sie kann uns zerreißen“

Tech-Eliten monopolisieren den Mehrwert intelligenter Maschinen. Das gefährdet den Zusammenhalt unserer Gesellschaft. Der aktuelle „Eliten Qualitätsindex 2024“ ist eine erste Warnung.Torsten Riecke 01.05.2024 - 10:50 Uhr
Der verstärkte Einsatz von intelligenten Maschinen verschiebt die Machtbalance der globalen Eliten. Foto: Sebastian Gollnow/dpa

London. Sind künstliche Maschinen die Eliten von morgen? Glaubt man den Zukunftsmachern in den Tech-Laboren und den Geldmachern an den Finanzmärkten, werden Wirtschaftswachstum und Wohlstand künftig von Künstlicher Intelligenz (KI) geschaffen. Über die Frage, wie dieser künstlich geschaffene Mehrwert verteilt werden soll, hat sich bislang kaum jemand Gedanken gemacht.

Die Zeit drängt. Der aktuelle „Eliten Qualitätsindex“ der Hochschule St. Gallen zeigt nun schon das zweite Jahr in Folge, dass der von den alten Eliten geschaffene Mehrwert abnimmt.

Tomas Casas, der seit vier Jahren den Rechenschieber über das globale Führungspersonal hält, sagt: „Der Negativtrend hat sich überall fortgesetzt. Aber es gibt auch Lichtblicke – und KI ist der wichtigste.“ Er sucht herauszufinden, was unsere Eliten wert sind, und befürchtet, dass nur wenige Menschen von den wirtschaftlichen Früchten Künstlicher Intelligenz profitieren werden.

Das Geschäftsmodell der globalen Eliten wackelt

Nach dem marktwirtschaftlichen Lehrbuch funktioniert die Verteilung des Reichtums nach dem meritokratischen Prinzip: Wer viel leistet, bekommt auch viel. Dass dieser Grundsatz in der Realität häufig auf den Kopf gestellt wird und hohe Belohnungen als Beleg für vermeintlich große Leistungen gerechtfertigt werden, gehört zu den leidvollen Widersprüchen unserer Leistungsgesellschaft.

Für unsere Eliten in Wirtschaft und Politik galt bislang jedenfalls: Sie sind oben, weil sie durch ihre Leistung viel Mehrwert und Wohlstand schaffen. Da insbesondere in vielen westlichen Industrienationen das Vertrauen in die Führungsschicht aber schwindet und Wutbürger gegen das politische Establishment aufbegehren, ist ein wissenschaftlich belegter Leistungsnachweis der Eliten dringend notwendig. 

Das Unterfangen der Elitenforscher gleicht auf den ersten Blick einer „Mission Impossible“. Sie werten inzwischen 146 Indikatoren aus, die von Innovationskraft über „Good Governance“ bis zu Korruption reichen. Dabei ist die Messlatte ganz einfach: Gemessen wird nicht nur der erzeugte Wohlstand, sondern auch, wie er verteilt wird. Je stärker demnach die Eliten ihre Macht missbrauchen, um sich selbst zu bereichern, desto schlechter fällt ihre Note im Qualitätsindex aus.

Deutschland ist auf dem achten Platz

Das Ergebnis für 2024 ist auf den ersten Blick keine große Überraschung: Kleine und reiche Länder wie Singapur, die Schweiz und die Niederlande liegen vorn. Schlusslichter sind dagegen zumeist arme Staaten wie der Sudan, Haiti und Irak, die zugleich unter politischen Krisen leiden.

Deutschland hält mit seiner Mischung aus Leistung und Umverteilung einen guten achten Platz. Dennoch kritisieren die eidgenössischen Forscher, dass die alten Eliten zu wenig kreativ sind und disruptiven Newcomern oft den Weg nach oben versperren.

Nach Meinung von Elitenforscher Casas wird die Benotung der Eliten in den kommenden Jahren durch den vermehrten Einsatz Künstlicher Intelligenz erheblich durcheinandergewirbelt. Als Beispiel nennt er dafür den Mehrwert an Wissen, den intelligente Chatbots wie ChatGPT und andere große Sprachmodelle (LLMs) schaffen.

Die Einkommensströme, die sie damit generieren, fließen aber überwiegend in die Taschen weniger Tech-Konzerne.
Tomas Casas, Elitenforscher

„Diese intelligenten Bots verwenden das Wissen der ganzen Menschheit“, sagt er und kritisiert: „Die Einkommensströme, die sie damit generieren, fließen aber überwiegend in die Taschen weniger Tech-Konzerne.“

Dieser Missstand spaltet die Wissenselite selbst. So hat die „New York Times“ Ende vergangenen Jahres eine Klage gegen die KI-Pioniere OpenAI und Microsoft eingereicht. Diese hatten ihre intelligenten Bots ohne Rücksicht auf das geistige Eigentum mit Millionen Artikeln aus der „Times“ trainiert.

Geistiges Trittbrettfahren

Das geistige Trittbrettfahren der Tech-Elite widerspricht dem Prinzip einer meritokratischen Leistungsgerechtigkeit. Es müsste somit im zukünftigen „Eliten Qualitätsindex“ mit massivem Punktabzug bestraft werden.

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Ob es aber zur geistigen Ausbeutung durch KI kommt, hängt entscheidend von der Macht ab, die wir der Tech-Elite zubilligen. Es ist deshalb richtig, dass britische Wettbewerbshüter jetzt die KI-Geschäftsmodelle der großen Technologiekonzerne genauer unter die Lupe nehmen.

Erlauben wir ihnen, den von Abermillionen von Menschen geschaffenen Mehrwert an Wissen zu privatisieren, riskieren wir den Zusammenhalt unserer Gesellschaft. „KI wird uns nicht killen, aber kann uns zerreißen“, warnt Casas.

Mehr: Der richtige Umgang mit KI

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