Grönemeyers Sprechstunde: So leben Sie länger – ganz ohne Hightech und Pharmazie

Der Traum vom längeren Leben elektrisiert Investoren und Manager weltweit. Sie geben Rekordsummen aus, um mithilfe neuer Technologien oder Therapien die biologische Uhr anzuhalten oder zurückzudrehen. Denselben Effekt könnte man auch günstiger haben. Denn alles, was wir für ein längeres Leben brauchen, liegt in uns. Ob wir 100 werden oder nicht, entscheiden wir. „Wer rastet, der rostet“, der Satz stimmt leider. Oder, anders formuliert: Wer sich schont, schont sich zu Tode. Fit bis 100 ist eine Frage der Haltung. Ich sage immer, turne bis zur Urne. Ärzte sind eine gute Hilfe. Entscheidend ist aber jeder selbst. Gesundheit ist zu 60 Prozent Eigenverantwortung. Und das ist eine Frage der inneren Haltung. Wichtig ist: Brust raus, Schultern nach hinten, aufrichten, durchatmen und Kraft spüren. Dabei wirkt mein Inneres entspannend auf die Muskulatur. Ich möchte den Menschen zeigen, dass sie auch mit wenig Aufwand mehr für ihre Gesundheit – und damit für ihr Wohlbefinden – tun können, um dem Ziel näher zu kommen, gesund zu altern. Die wirklich gute Nachricht: Es geht vergleichsweise um simple kleine Änderungen im Lebensstil und im eigenen Verhalten. Dazu zählen etwa regelmäßige Bewegung, maßvolle und ausgewogene Ernährung, kein Nikotin, besserer Stressumgang, keine Alkohol-Exzesse und guter Schlaf. Wir ahnen es längst, nur handeln die meisten von uns nicht danach. Aus Macht der Gewohnheit oder weil der Alltagsstress unseren Blick auf anderes lenkt. Die Folge: In der Altersgruppe der 50 bis 59-Jährigen sind 65 Prozent der Frauen und 60 Prozent der Männer nicht in der Lage, drei Stockwerke zu Fuß zu bewältigen, ohne aus der Puste zu kommen. Das ist nicht überraschend, wenn man bedenkt, dass die generelle Sportaktivität mit zunehmendem Alter bei Frauen und Männern gleichermaßen abnimmt. Und die meisten von uns ernähren sich schlechter, als sie sollten. Deswegen sind Diabetes, Eiweißmangel und Herz-Kreislauf-Erkrankungen regelrechte Volksleiden. Negativer Stress, Angst vor der Zukunft und hohe Anforderungen schlagen auf den Magen, und allmählich wird man schlapper, kränker und oft dicker. Nur, wie ändern wir das? Jedenfalls nicht durch Ansagen „von oben“. Nachhaltig ändern Menschen ihr Leben nur, wenn sie es selbst einsehen. Und wenn die Veränderung ihnen Freude bereitet. Deshalb sind entsprechende Angebote und Informationsmöglichkeiten wichtig – etwa Gesundheitsunterricht, eine Stunde Schulsport täglich, Angebote zur gesunden Ernährung und zum Kochen, aber auch Angebote zur betrieblichen Gesundheitsförderung. Und, auch wenn es aus der Feder eines Arztes langweilig klingt: Handeln Sie in Sachen Gesundheit präventiv: Strukturierte und interdisziplinär organisierte Präventionsmaßnahmen sind das beste Mittel, um gesundheitliche Probleme schnell zu erkennen und früh zu behandeln. Auf diese Weise könnten die hohen Gesundheitskosten, die zum Lebensende eines Menschen anfallen, enorm reduziert werden. Wir werden in jeder Beziehung resilienter, das sorgt nebenbei für Prosperität auf allen Ebenen. Zur Prävention gehört aber auch die Eigenverantwortung von Patienten und Patientinnen. Ein gesundheitliches Grundwissen kann sich jeder aneignen, vorausgesetzt, ihm werden die nötigen Bildungsangebote überhaupt gemacht. Tatsächlich geschieht in dieser Hinsicht wenig - und vor allem ohne den nötigen Nachdruck. Männer, Frauen und Kinder, Jüngere wie Ältere, müssen tatsächlich herausgefordert werden, sich schlauer zu machen. Denn nur durch eine so verstandene Eigenverantwortung aus Wissen und Selbstverpflichtung lassen sich nachhaltige Erfolge bei der persönlichen Gestaltung eines gesunden Lebens erzielen. >> Wie mich KI zu einem effizienteren Menschen gemacht hat >> Auf diese Hotel-Neueröffnungen sollten Sie achten >> Alle Artikel des Wochenendprogramms in der Übersicht Prävention, Ernährung, Bewegung, Wohlbefinden und Selbstverantwortung – dies sind die Schlüssel für ein langes und gesundes Leben. Wer sich so um sich und seine Gesundheit kümmert, wird schnell beeindruckende Effekte sehen: Bei 50-jährigen Frauen, so neue Studien, verlängert sich die Lebenserwartung um 18,9 Jahre, bei gleichaltrigen Männern sogar um 21,3 Jahre. Wer früher anfängt, bei dem ist der Lebenszugewinn noch größer. Selbst mit 60, 70 oder 80 lohnt sich ein gesünderer Lebensstil, auch wenn die Effekte dann kleiner werden. „Fit bis 100“ ist kein leeres Versprechen. Jeder hat den Schlüssel dafür in der Hand. Dietrich Grönemeyer ist Medizinunternehmer und Autor. Bis 2012 war er Lehrstuhlinhaber für Radiologie und Mikrotherapie an der Universität Witten/Herdecke. Derzeit tourt er mit „Fit bis 100“ durch Deutschland: www.fit-bis-100.live/handelsblatt. Mehr: Wie die Tech-Elite versucht, unsterblich zu werden