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  4. Handel: Mit welchen Tricks KI für uns vor Weihnachten shoppen geht

E-CommerceSo trifft KI unsere Kaufentscheidungen bei Weihnachtsgeschenken

Black Friday war nur der Auftakt: KI-Bots übernehmen im Weihnachtsgeschäft Kaufentscheidungen über Milliarden. Nur ein Konzern stellt sich dem noch entgegen – wohl aus einem Grund.Meckel Miriam 02.12.2025 - 12:42 Uhr Artikel anhören
In dieser Kolumne schreibt Miriam Meckel 14-täglich über Ideen, Innovationen und Interpretationen, die Fortschritt und ein besseres Leben möglich machen. Foto: Klawe Rzeczy

War das schön, als man noch selbst an den Weihnachtsmann glauben durfte. Oder als die Kinder klein waren und einen rot gefärbten Zuckerwürfel mit der Wunschliste auf die Fensterbank legten, damit der geschäftige Weihnachtsmann in seinem Schlitten ja nicht vorbeiflöge.

Wenn wir ehrlich sind, war auch dieser nostalgische Moment immer ein Ergebnis der Kommerzialisierung: Der Weihnachtsmann ist das Resultat einer gelungenen Mischung aus Nikolaus, Volksglauben und Marketing. Hier hat vor allem Coca-Cola ganze Arbeit geleistet. Der Konzern kodifizierte die Figur in der Nachkriegszeit im Cola-Rot und durch massive internationale Werbekampagnen. Immerhin: Es gab die Identifikationsfigur. Sie macht den Akt des Geschenkekaufens noch zur persönlichen Dreiecksbeziehung zwischen dem Wünschenden, dem Schenkenden und dem Weihnachtsmann.

Ab diesem Jahr sucht der Weihnachtsmann einen neuen Job. Denn wir geraten gerade ins erste wirklich „KI-gestützte“ Weihnachtsgeschäft der Geschichte. Big Tech hat sich warmgelaufen. OpenAI, Google, Amazon, Perplexity – sie alle schicken ihre digitalen Elfen in den Geschenke-Dschungel. Chatbots, die nach Produkten fahnden, Bewertungen auswerten, Geschenkideen personalisieren, das Budget im Blick behalten und den Kauf mit einem Klick möglich machen.

Die Folgen des KI-Shoppings

ChatGPT hat kürzlich die Shopping-Funktion in den eigenen Bot eingeführt. Auf der Suche nach einem Paar Sneakers bietet mir der Bot gleich acht Möglichkeiten des Online-Kaufs – mit einer Preisspanne von 180 bis 255 Euro. Und falls mir das zu teuer ist, hat ChatGPT auch drei Alternativvorschläge für Schuhe parat, die auch ihre Vorzüge haben.

Das ist bequem, hat aber ein paar ökonomische Folgen.

Der „Global Holiday Retail Report“ von Shopify sagt: 64 Prozent der Geschenkejäger werden in diesem Jahr ihr Glück und das Präsent über KI-Bots suchen. Fast 90 Prozent der Handelsunternehmen investieren bereits in diese Technologie. Und die Summe, die Käuferinnen und Käufer bereit sind, der KI zur Verfügung zu stellen, damit sie eigenständig einkauft, beläuft sich auf 225 Euro. Erste Einblicke zeigen eine Verdoppelung des Umsatzes über das Chatbot-Geschäft. Hier bahnt sich eine kleine Revolution des Kaufens an, die für Kunden vor allem eins bietet: Bequemlichkeit.

Das heißt auch: Die Überraschung verabschiedet sich aus dem Weihnachtsgeschäft. Die KI-Bots wissen sehr gut über uns Bescheid, vermutlich besser als wir selbst. Im Kaufprozess werden uns daher die Dinge vorgeschlagen, die wir immer schon gemocht und gesucht haben. So ist es am wahrscheinlichsten, dass wirklich etwas gekauft wird. Willkommen in der Echokammer der zwölften Variante einer dunkelblauen Bluse.

Sprechen Algorithmen nun die Preise ab?

KI-Preisvergleiche sind die beste Voraussetzung für algorithmische Preisabsprachen. Wenn die Händler erst einmal merken, dass die Bots die Preisspanne transparent angeben, wird es nicht lange dauern, bis die ersten diese Spanne ein wenig anzugleichen versuchen. Vermutlich nicht zu Gunsten der Kunden. Das ist bei uns verboten, aber der Kreativität sind ja keine Grenzen gesetzt, wenn man sich schlicht ein wenig annähert.

Und dann gibt es das Problem der verzögerten Zahlungen: Buy now, pay later (BNPL). Unternehmen wie Klarna, Afterpay oder Paypal erlauben den Sofortkauf mit Ratenzahlung. Studien zeigen, dass besonders junge Menschen dazu neigen, den Überblick zu verlieren oder ihre finanziellen Möglichkeiten zu überschätzen. BNPL: Buy now, panic later.

Als nächsten Schritt versprechen die Tech-Unternehmen den Ein-Klick-Kauf, beispielsweise über Paypal. In den USA ist dies schon für einige Marken möglich. Damit dieser Prozess reibungslos funktioniert, braucht es allerdings die technische „Anschlussfähigkeit“ verschiedener Systeme. Und da gibt es gleich eine große Lücke bei den Optionen von OpenAI, Perplexity und Google: Amazon verhindert nämlich, dass die drei Unternehmen seine Website scrapen. Sie können also keine Optionen aus dem riesigen Produktkatalog von Amazon anbieten oder Preisvergleiche mit Amazon machen. Bei der Marktposition des E-Commerce-Riesen ist das ein erheblicher blinder Fleck. Es wird sicher nicht lange dauern, bis Amazon einen eigenen Bot auf den Markt bringt.

Welches Kapital an Weihnachten nun wirklich wichtig wird

Bequemlichkeit schlägt alles – das wissen wir aus der Forschung. Wenn die gelingt, hat der Weihnachtsmann keine Schnitte mehr.

Nur: Vielleicht bleibt angesichts der ersten brennenden Adventskerze ja doch ein Moment des Innehaltens. Es gibt da ja noch eine Kapitalform, die zu Weihnachten wichtig wird. Pierre Bourdieu nennt sie das „symbolische Kapital“: die Anerkennung, die man selber bekommt, indem man andere anerkennt.

Verwandte Themen Amazon ChatGPT OpenAI PayPal Künstliche Intelligenz Black Friday

Im Weihnachtsgeschäft entsteht es dadurch, dass man sich Gedanken über eine andere Person macht, die man beschenken möchte, und Zeit aufwendet, das Geschenk zu besorgen. So wie es Antoine de Saint-Exupéry in „Der kleine Prinz“ geschrieben hat: „Es ist die Zeit, die du für deine Rose gegeben hast, sie macht deine Rose so wichtig.“

Hätte er geschrieben: „Es ist der Klick, mit dem du die Rose gekauft hast …“, kein Mensch würde dieses Buch zu Weihnachten verschenken.

Mehr: Revolution im Onlinehandel: KI steuert Milliardenumsatz am Black Friday

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