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Kolumne „Globale Trends“„Das private Auto wird ein bisschen wie das Fax werden“ – oder doch nicht?

Vielen Studien zufolge hat der private Pkw seine Zukunft hinter sich. Doch wichtiger als globale Trends ist die lokale Attraktivität alternativer Mobilität.Thomas Hanke 05.07.2023 - 10:00 Uhr
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Ob Menschen auf den ÖPNV und die Bahn umsteigen, hängt weniger von globalen Trends als von deren lokaler und regionaler Attraktivität ab.

Foto: dpa

Der Niedergang des privat genutzten Autos steht angeblich bevor: Prognosen sagen voraus, dass Robo-Taxis, der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV), E-Roller und E-Bikes es verdrängen. Individualverkehr mit Verbrennern schadet dem Klima und verbraucht öffentlichen Raum, aber verschwindet das Auto wirklich?

McKinsey erwartet in einer jüngst veröffentlichten Studie, dass der Anteil privater Autos an der weltweiten Mobilität von heute 45 Prozent in gut zehn Jahren auf 29 Prozent sinken werde. Robo-Taxis würden dann bereits acht Prozent der Verkehre stellen.

„Das private Auto wird ein bisschen wie das Fax werden, eine überholte Technik, auch wenn ein paar Leute es noch nutzen werden“, erwartet Andreas Knie, der am Wissenschaftszentrum Berlin über Mobilität forscht. In vier bis fünf Jahren gebe es einen „Tipping Point“ mit beschleunigtem Bedeutungsverlust für private Pkw.

Thomas Grube vom Institut für Energie- und Klimaforschung in Jülich stellt dagegen fest: „Wir können bislang nicht beobachten, dass sich die Nutzung vom privaten Pkw wegbewegt.“ Von 2002 bis 2023 sei der Pkw-Anteil am deutschen Verkehr bei 55 bis 57 Prozent geblieben. Der EU-Rechnungshof sagte 2020, dass es „keinen Trend zu mehr nachhaltiger Mobilität“ gebe.

Ein „relevanter Anteil selbstfahrender Autos an der Mobilität“ ist laut Grube weltweit „nicht sichtbar“. Für Deutschland räumt das auch Andreas Knie ein, führt es aber darauf zurück, dass „die deutsche Autoindustrie noch im Spaltmaß“ denke.

Handelsblatt-Autor Thomas Hanke analysiert in der Kolumne interessante Daten und Trends aus aller Welt.

Foto: Klawe Rzeczy

Trend ist erkennbar

Der Trend aber sei klar: Umweltbewusste, gut gebildete Menschen wollten kein Auto mehr besitzen. Bei den weniger gut gebildeten vollziehe sich diese Entwicklung mit etwas Verzögerung. Von der Umweltwirkung her sind autonome Autos allerdings eher fragwürdig, weil sie im Einsatz als Robo-Taxis mit sehr vielen Leerfahrten verbunden sind.

Vielleicht nehmen diejenigen, die den Niedergang des privaten Pkw erwarten, nicht alle Faktoren mit in den Blick. Ein Beispiel: Spritfresser wie schwere SUV sind ein sinnfreier Anachronismus. Die deutsche Autoindustrie hatte diese Fahrzeuge vernünftigerweise anfangs nicht auf der Rechnung. Heute kommen sie in der Bundesrepublik jedoch auf eine Quote von fast 40 Prozent.

Das Auto ist mehr als ein Fortbewegungsmittel, es ist Gegenstand des politischen Kampfs. Nicht nur im Ausland, auch in deutschen Städten definieren sich politische Konflikte immer stärker danach, ob jemand im oder außerhalb des S-Bahn-Rings wohnt. Stark vereinfacht ist man in der Innenstadt gegen, außerhalb für das Auto.

Die letzte Wahl in Berlin haben die Wähler von außerhalb des Rings gewonnen. Aber auch in gentrifizierten Vierteln der Innenstadt treffen die Verfechter autofreier Zonen auf den verbissenen Widerstand derer, die an ihrem Pkw hängen – oder darauf angewiesen sind.

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Ob Menschen auf den ÖPNV und die Bahn umsteigen, hängt weniger von globalen Trends als von deren lokaler und regionaler Attraktivität ab. In der Innenstadt von Paris nutzt die Mittelschicht diese Verkehrsmittel, in Berlin eher weniger. Französische Vorstadtzüge dagegen sind unbeliebt und erreichen große Teile der Vorstädte nur schlecht. Die Folge: Für die Menschen dort ist die individuelle Mobilität ein Strohhalm, an den sie sich klammern. Er gibt ihnen das Gefühl, nicht völlig abgehängt zu sein.

Wieder anders sieht es bei Hochgeschwindigkeitszügen aus: In Spanien und Frankreich sind sie pünktlich, in Deutschland eher unkalkulierbar, in den USA kaum existent.

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Andreas Knie und andere haben recht: In den USA wird viel mehr als in Deutschland mit selbstfahrenden Autos experimentiert. Schätzungen zufolge haben sie 2021 bereits 1,92 Millionen Kilometer zurückgelegt. Mit privaten Pkw fuhren die Amerikaner laut offizieller Statistik 2021 allerdings 4,96 Billionen Kilometer. Das ist das 2583-Fache. Mit Mark Twain lässt sich über das Auto sagen: Die Nachricht von seinem Tod ist stark übertrieben.

Mehr: Schleichende Investitionsflucht – Standort Deutschland in Gefahr

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