Kolumne „Out of the box“: So fördern schlechte Manager den Dienst nach Vorschrift

Seit über einem Jahrhundert gibt es den Tag der Arbeit. Feiertag der internationalen Arbeiterklasse, die sich in all den Jahren große Fortschritte erstritten hat. Heute arbeiten wir weniger, sicherer und abgesicherter, besser bezahlt und mit mehr Mitspracherecht als je zuvor in der Menschheitsgeschichte. Doch zufriedener macht uns die Arbeit nicht – ganz gleich ob Arbeiter, mittleres Management oder Chefetage.
Über sieben Millionen Mitarbeitende in Deutschland haben innerlich gekündigt. Unvorstellbare 86 Prozent fühlen sich mit ihrem Arbeitgeber nicht verbunden. Allen Obstkörben zum Trotz. Die Arbeit hat an Benefits zugelegt, aber ihren Sinn verloren. Die junge Generation überlegt sich heute dreimal, ob sie in dieses Hamsterrad einsteigt – Dienstwagen hin oder her.
Wo und wie ist die Freude am täglichen Schaffen unter die Räder gekommen? Wir haben Work & Life getrennt und sie zu Gegnern erklärt. Arbeit ist die Zeit, die uns vom Leben abhält. Frederik Winslow Taylor wirkte dabei wie ein Turbo.
Als der Begründer des Taylorismus mit seiner Stoppuhr zu Henry Ford ans Förderband trat, die Arbeitsprozesse analysierte, Schritt für Schritt optimierte und strikte Handlungsanweisungen formulierte, wurde der Mensch endgültig zum kleinen Rädchen im großen Getriebe.
Statt ein Automobil zu bauen, wurde nun das rechte Vorderrad festzuziehen zur Lebensaufgabe definiert. Die ewig gleichen Handgriffe, Tag für Tag, alle Jahre wieder. Taylor portionierte die Arbeit in kleinste Häppchen und degradierte den Menschen zum Befehlsempfänger. So steigerte er die Produktivität um das Dreifache und wurde seine Methode zum weltweiten Verkaufsschlager.
Mitarbeitende mutierten darüber zum Humankapital, eine wirkungsvolle Kostenbremse, um die Finanzmärkte zu beruhigen. Volkswagen und Bayer bieten in diesen Tagen Hunderttausende von Euro, um Zehntausende von Mitarbeitern schnell loszuwerden. Sie nennen es Sprinterprämie – wer zuerst geht, kassiert mehr. Aus den Augen, aus der Bilanz.
Taylor hat noch immer seinen Stammplatz in der Chefetage. Täglich wird weiter an der Effizienzschraube gedreht, alles wird schneller, profitabler und outgesourct. Der Einzelne gerät in eine Optimierungsfalle und verliert den Blick für das Große und Ganze, die Verbundenheit zum Unternehmen, sein Verantwortungsgefühl und seinen Ideenreichtum.
So kommt der Dienst nach Vorschrift ins Unternehmen. Und damit geht eine Menge verloren. Denn es gilt: Je mehr sich der Mitarbeitende der Aufgabe verbunden fühlt, desto mehr kommen Fingerspitzengefühl, Teamgeist und Durchhaltewillen zum Einsatz. Verliert die Arbeit ihren Sinn, verliert der Mensch seine Gestaltungskraft – am Förderband und auf dem Vorstandsflur.
Was macht Arbeit sinnvoll?
Es beginnt damit, dass die Menschen den Glauben an das eigene Tun wiedergewinnen, weil es wertvoll für den Einzelnen und die Gesellschaft ist. Ein gemeinsames Anliegen. Heute schließen sich (besonders junge) Menschen einem Unternehmen an, statt nur einen Job anzunehmen. Sie suchen eine Aufgabe, die interessant, wichtig und bedeutsam ist. Eine Aufgabe, bei der sie in der Gemeinschaft mit anderen Großes bewegen können.
Auch im Berufsleben gilt: Ohne Sinn hat alles keinen Zweck. Mark Twain sagte: „Die beiden wichtigsten Tage deines Lebens sind der Tag, an dem du geboren wirst, und der Tag, an dem du entdeckst, wofür.“ Nur wie kommt man dem Sinn auf die Spur?
Es gibt ein paar wenige Auserwählte, die eine Bestimmung haben. Schon in jungen Jahren fühlen sie, sie sind zum Fußballgott, Bäckermeister, Herzchirurgin oder Lehrerin geboren. Manchmal geschehen dramatische Ereignisse, die alles auf den Kopf stellen und den Blick für das schärfen, was wahrhaft wichtig ist – eine Aufgabe, der man fortan sein Leben widmet.
Die allermeisten von uns kommen jedoch dem Sinn nur Schritt für Schritt auf die Schliche. Er hat seine Wurzeln in echtem Interesse und persönlichen Begabungen. Er wächst, wenn diese Fähigkeiten auf ein Bedürfnis in der Welt treffen, weil man spürt, dass das eigene Tun bedeutsam ist.


Und im Zusammenspiel mit den vielen, den Kolleginnen und Kollegen, gewinnt der Sinn an Kraft und kann damit sogar Naturgesetze aushebeln. Die Menschen und das Unternehmen wachsen über sich hinaus. Das hatte Taylor gar nicht auf seinem Rechenzettel.
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