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Lars FeldEine Wirtschaftswende ist nicht in Sicht

Auch wenn Zuversicht aufkommt: Zu befürchten ist, dass Mütterrente, Steuerprivilegien für Gastwirte und Bauern sowie der Industriestrompreis als Dauersubvention Vorrang genießen.Lars P. Feld 19.05.2025 - 16:14 Uhr Artikel anhören
Der Autor: Lars Feld ist Professor für Wirtschaftspolitik an der Universität Freiburg und Direktor des dort ansässigen Walter Eucken Instituts. Foto: dpa

Die Nachrichten häufen sich und deuten scheinbar in eine Richtung: Die Konjunktur könnte sich zum Besseren wenden. Die Stimmungsindikatoren, insbesondere der Einkaufsmanagerindex und der Ifo-Geschäftsklimaindex, sind zuletzt gestiegen, nur leicht, aber die Stimmung verbessert sich. Diese Indizes gelten Konjunkturforschern als vorlaufende Indikatoren der konjunkturellen Entwicklung. Auftragseingänge und Industrieproduktion waren ebenfalls nach oben gerichtet, allerdings noch ohne klaren Trend.

Zudem verbindet sich mit dem Regierungswechsel die Hoffnung auf eine Wirtschaftswende, obwohl jenseits der Revision der Schuldenbremse noch keine wirtschaftlich relevanten Entscheidungen getroffen wurden. Da Konjunktur zur Hälfte Psychologie ist, so die Optimisten, gehe es somit nun aufwärts. Mit Blick auf die Ampelregierung ließe sich sagen: Tu felix Fridericus! Fällt der neuen Bundesregierung etwa der Wirtschaftsaufschwung ohne eigenes Zutun vor die Füße?

Für Entwarnung ist es zu früh. Die wirtschaftspolitische Unsicherheit in Deutschland ist enorm, jüngst verursacht durch die Kapriolen des amerikanischen Präsidenten. Unsicherheit und Volatilität mögen den Börsen gefallen. Sind höhere Volatilitäten doch mit durchschnittlich höheren Renditen korreliert. Für realwirtschaftliche Investitionen der Unternehmen und Konsumentscheidungen der Menschen ist Unsicherheit jedoch Gift. Sie führt zu Attentismus. Es ist bislang nicht zu erkennen, dass dieser überwunden ist.

Lars Felds Ordnungsruf

Der Industriestrompreis droht zu einer Dauersubvention zu werden

Zudem dürfte die Zollpolitik der USA die Konjunktur belasten. Dies gilt zuallererst für die USA, obwohl die ersten Prognosen sich dort von der Rezessionsankündigung wieder verabschieden und ein moderates Wachstum erwarten. Der eingeführte Mindestzoll in Höhe von zehn Prozent ist für die meisten Länder zwar verkraftbar, aber letztlich doch eine die Exporttätigkeit hemmende Maßnahme. Es bleibt unklar, welche neue Ordnung die USA anstreben und wie sie diese angesichts ihrer hohen Verschuldung mit geringeren Kapitalimporten erreichen wollen. Das jüngste Steuerpaket von Donald Trump deutet jedenfalls auf eine höhere Staatsverschuldung hin. Die Auswirkungen für die Anleihemärkte sind offen, nervöser dürften diese aber werden.

Die ersten politischen Signale der neuen Bundesregierung, vor allem von Bundeskanzler Merz selbst, säen in der Tat Zuversicht. Außen- und sicherheitspolitisch zeigen die ersten Gespräche im Ausland in die richtige Richtung. Innerhalb der Europäischen Union deutet dies auf ein engeres Verhältnis zu Frankreich hin; der Motor der Integration könnte wieder anspringen. Vielleicht gelingt damit die Ratifizierung des Handelsabkommens mit dem Mercosur oder gar der Abschluss weiterer Handelsabkommen, die eine Schwächung des Außenhandels mit den USA oder mit China kompensieren könnten.

Eine Wirtschaftswende ist das nicht

Wirtschaftspolitisch ist bislang jedoch wenig zu erkennen. Die Bundesregierung möchte bis Ende Juni ein neues Wirtschaftspaket schnüren. Manches aus den alten, nicht realisierten Vorschlägen der Ampelregierung ließe sich übernehmen. Zu erwarten ist jedoch, dass die leicht umsetzbaren Maßnahmen des Koalitionsvertrags Vorrang genießen werden: Mütterrente, Steuersubventionen für Gastwirte und Bauern, Industriestrompreis als Dauersubvention etc.

Eine Wirtschaftswende ist das nicht. Eine Wirtschaftspolitik, die zuvorderst als Subventionspolitik verstanden wird, erhöht die langfristigen Wachstumschancen nicht. Das Produktionspotenzial wird damit kaum höher ausfallen. Vielmehr deuten die erkennbaren Streitpunkte der Koalition – Mindestlohn, Rentenpolitik, Steuerpolitik – darauf hin, dass vielfach der Ernst der Lage nicht erkannt ist.

Vor diesem Hintergrund dürften Unternehmen hierzulande weiterhin nur zurückhaltend investieren, Konsumenten nur zögerlich konsumieren. Aller Voraussicht nach wird die Stagnation der vergangenen drei Jahre in ihrem vierten Jahr spürbare Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt haben. Im zweiten Halbjahr dieses Jahres ist mit nennenswerten Entlassungen zu rechnen. Schon jetzt zeigt der Trend der Arbeitslosigkeit nach oben. Es ist daher kaum verwunderlich, wenn die Konjunkturforscher in ihren Projektionen noch keinen Aufschwung erkennen lassen.

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Die Bundesregierung hat somit nicht einmal 100 Tage, um Unternehmen und Konsumenten davon zu überzeugen, dass sie es ernst mit der Wirtschaftswende meint. Der Koalitionsvertrag enthält dafür zu wenig. Schon zu Beginn ihrer Amtszeit wird die Bundesregierung so manches revidieren müssen.

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